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Im Herzen Rein

Im Herzen Rein

Titel: Im Herzen Rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Vanoni
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gestanden, genau so wie an der Spree-Promenade: Dann würde man es eine Installation nennen.«
    »Inklusive der Polizisten?« Sie hatte jetzt den Ton gefunden.
    Er schüttelte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. »Die Polizisten würde ich durch Duane-Hanson-Figuren ersetzen. Kennen Sie seine Plastiken?«
    Chris erinnerte sich. »Sie wirken wie echte Menschen aus dem Alltag. Ein Touristenpaar mit Kamera um den Hals zum Beispiel.«
    »Kompliment.« Heiliger neigte den Kopf. »Der Effekt ist der extreme Naturalismus. Wenn Sie auf Hansons Touristenpaar zugehen, halten Sie die beiden für lebendig. Darin besteht die Wirkung.«
    »Aber dann merkt man, dass sie sich nicht bewegen.«
    »Richtig. In dem Moment gibt sich die Künstlichkeit zu erkennen. Aber wo lässt die Natürlichkeit ihre Maske fallen, wenn die Figur nicht aus Plastik ist, sondern aus echten Muskeln, die präpariert wurden?«
    »Wenn es als Mord erkannt wird.«
    »Lassen wir den mal beiseite. Stellen Sie sich vor: Gestern war sie noch am Leben, und heute ist sie Teil einer Installation. Nach drei Tagen ist die Arbeit weltberühmt, und ein halbes Jahr später kauft sie das Museum of Modern Art in New York.«
    Sie führte den Gedanken weiter. »Im Museum gibt es immer diese kleinen Schildchen mit dem Namen des Künstlers drauf. Was würde in diesem Fall da stehen?«
    Sie sah, dass er schwer atmete und sie fixierte. Sie versuchte, seinem Blick standzuhalten. Ihr wurde heiß dabei, und sie schaute weg. Sie spürte Angst aufsteigen. Es machte sie nervös, dass er nicht antwortete. Sie wollte weg und suchte nach einem abschließenden Satz.
    In diesem Augenblick wurde Heiliger von einem Mann zur Seite gezogen und in ein Gespräch verwickelt.
    Chris nahm ihr Handy und rief Bach an. Sie wollte, dass er kam, um sich Heiliger anzusehen. Hubertus bedauerte, er habe gerade Gäste aus Wien.
    »Können wir uns dann morgen Vormittag sehen?«, fragte sie nach.
    »Morgen ist Samstag, da besuche ich meine Mutter.«
    »Das kannst du ja mal verschieben«, insistierte sie. »Also, was ist?«
    Er wollte nicht und fand gleich noch ein Argument: »Es ist ungeschickt für dich als Neue in der Abteilung, irgendwelche vielleicht wichtigen Dinge mit mir zu besprechen. Als Außenstehendem. Es ist etwas anderes, wenn du offiziell die Zustimmung bekommst.«
    »Was für eine Zustimmung?«
    »Es gibt die Möglichkeit in schwierigen Fällen, dem ermittelnden Team einen externen Berater zur Seite zu stellen. Dann ist es okay, wenn du mit dem Berater Zeugen oder Verdächtige befragst und die Ergebnisse von ihm ausgewertet werden.«
    »Es ist Freitagabend - vor Montag ist da nichts zu machen.«
    »Dann sollte zumindest die Leiterin der Mordkommission dabei sein.«
    Ihr war klar, dass Paula einbezogen werden musste, aber gleich jetzt? Sie hatte Paula nicht darüber informiert, dass sie sich mit dem Jogger hier traf, und wollte erst mal allein mit Hubertus reden. Außerdem hatte sie Paula auch nicht von dem gestrigen Telefonat mit Bach berichtet.
    Chris sah, dass Heiliger seine Unterhaltung beendete und zu ihr zurückkam. »Ich muss aufhören. Kann ich nachher noch einmal anrufen?«
    »So um zehn. Dann ist mein Besuch gegangen.«
    »Bis später.«
    Als sie das Handy wegsteckte, stand Josef Heiliger wieder vor ihr. »Ich will Ihnen nach der Theorie nun eine echte Installation zeigen.«
    Er fasste sie am Arm und zog sie durch die Besucher. Dabei redete er weiter auf sie ein.
    »Die erste Installation überhaupt war das berühmte Pissoir von Duchamps 1917 in Paris. Was Sie gleich sehen, ist die Spitze einer Entwicklung, die immer schneller fortschreitet. Dabei ist die entscheidende Frage: Was kann unsere Aufmerksamkeit noch fesseln? Die Frage nach dem Sinn erreicht uns nicht mehr. Stattdessen gelten dramatische Anstöße und heftige Impulse, die vielleicht sogar einen Schock auslösen.« Er blieb so abrupt stehen, dass sie ihm auf den Fuß trat. Er ergriff mit beiden Händen ihre Arme und schaute sie seltsam an. Wütend? Herausfordernd? Gierig? Er ließ sie aber gleich wieder los und fuhr fort: »Dann lebt die Frage nach dem Sinn vielleicht noch einmal auf und röchelt wie ein Gespenst: Was soll das alles?«
    Er zog sie weiter, vor ein großes Wasserbecken aus durchsichtigem Plexiglas. Auf einem Lattenrost lag ein nacktes Paar, das sich umarmte, während sich das Becken mit Wasser füllte. Stetig stieg es an, und die Liebenden klammerten sich aneinander, bis nur noch ihre Gesichter aus dem Wasser

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