Im Herzen Rein
»Requiem für drei Augäpfel« (1995), »Der symbolische Tod« (1997), »Fatale Strategien« (2001), »Transparenz des Bösen« (2003) und »Höllische Nonne« (2006).
Er hatte viele Auszeichnungen gewonnen, wurde als der Shootingstar der Szene bezeichnet - nicht zuletzt, weil die Preise seiner Werke in schwindelnde Höhen schossen.
Konnte so jemand ein Killer sein?
Sie rief Bach gleich noch einmal an.
»Heiliger ist ein erfolgreicher Künstler. Da wird er als Täter nicht infrage kommen. Der bearbeitet seine Probleme, Neurosen, Psychosen oder was sonst auch immer in seiner Kunst. Damit hat er ein Ventil. So einer muss nicht morden.«
»Davon würde ich so grundsätzlich nicht ausgehen«, entgegnete Bach. »Die Psyche von Menschen ist viel komplizierter, als wir ahnen. Man kann jemanden nicht aufgrund seines Berufes als Täter ausschließen. Auch nicht aufgrund eines gewissen Bekanntheitsgrades. Noch wissen wir gar nichts.«
»Ich habe Künstler bisher als interessante Menschen kennengelernt. Meistens jedenfalls«, fügte sie hinzu, nachdem ihr Ralf eingefallen war.
»Auch Mörder sind interessante Menschen«, lachte Bach. »Da könnte ich dir viel erzählen.«
»Also gut, ich werde ihn anrufen.«
»Vielleicht triffst du ihn ja auch. Danach werden wir bestimmt mehr wissen. Triff ihn aber bitte nicht allein.«
13
Obgleich es eine kühle Nacht war, ließ er den Motor nicht laufen. Seine Augen brannten, weil sie auf den Eingang des Cafés fixiert waren. Endlich kam sie. Allein, wie er gehofft hatte. Er sah, dass sie sich umgezogen hatte, und stellte sich vor, wie sie auf der Personaltoilette die lange weiße Schürze, die schwarze Bluse und schwarze Hose ausgezogen und sich frisch gemacht hatte. Nun war sie aufgeputzt in einer roten Bluse mit dicker Perlenkette im großen Ausschnitt. Sie sang vor sich hin, wie er an ihren Lippen erkennen konnte. Sie ging auf ihr Auto zu, öffnete die Tür mit dem Remote Controller, riss sie mit Schwung auf, warf die Handtasche hinein und zog den engen Rock hoch, um besser einsteigen zu können. Die Tür knallte zu, das Licht flammte auf, und sie fuhr zügig los.
Er folgte ihr und schaltete die Scheinwerfer erst nach fünfzig Metern ein. Er witterte, dass sie etwas vorhatte, etwas Sexuelles. Und an der nächsten Kreuzung fand er es bestätigt - sie nahm nicht den Weg nach Hause. Es ist mitten in der Nacht, wie lange willst du dich noch herumtreiben?, schimpfte er.
Sie fuhr am Bundeskanzleramt vorbei, dann an der Schwangeren Auster , und bog vor dem Schloss Bellevue links ab. In der Lietzenburger Straße hielt sie vor einem großen Appartementhaus. Die meisten Fenster waren dunkel. Er sah auf die Uhr: eins.
Sie stieg aus und ging zum Eingang des Hochhauses.
Als sie klingelte, konnte sie die Haustür gleich danach aufdrücken - sie wurde also erwartet.
Langsam fuhr er an ihrem Wagen vorbei, wendete an der nächsten Kreuzung und fand einen Parkplatz in der kleinen Seitenstraße schräg gegenüber dem Appartementhaus. Er löschte das Licht, stieg aus und überzeugte sich, dass hier unbeschränktes Parken erlaubt war. Niemand würde seine Nummer aufschreiben, wenn er den Wagen zwei Tage stehen ließ. Er würde keinen Fehler machen - auch nicht nachts allein im Auto warten, was Passanten auffallen könnte, und dann über das Kennzeichen identifizierbar sein.
Er hatte die junge Frau tagelang beobachtet. Jetzt war es so weit. Langsam bewegte er sich auf das Appartementhaus zu. Auf der anderen Straßenseite ging ein Mann mit einer Aktentasche vorbei, später kamen zwei junge Türken, die sich laut unterhielten.
Er stand, unsichtbar für Passanten, im Schutz der Einfahrt neben dem Haus.
Als nach einer Stunde das Licht im Treppenhaus wieder ansprang, wusste er, dass sie es war.
Er löste sich aus dem Schatten, huschte zu seinem Wagen und duckte sich.
Suchend blickte er hin und her, bis er sie zwischen zwei geparkten Autos erspähte. Er kannte den rhythmischen Hall ihrer Schritte und spürte ihren Herzschlag, selbst über diese Distanz. Wovor lief sie davon? Sie konnte ihn nicht gesehen haben. Aber es gefiel ihm - so würde er sie schneller umarmen. Er sehnte sich danach, sie flehen zu hören. Er sog die Luft ein. Ihm war, als hörte er sie bereits schreien. Seine Haut kribbelte von den Zehen bis zu den Haarwurzeln.
Lautlos und schnell näherte er sich seiner Beute, stand jetzt hinter ihr, hielt ihr mit der einen Hand den Mund zu und stieß ihr mit der anderen Hand die Pistole
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