Im Herzen Rein
davon eine Großaufnahme.
Während er diktierte, sah Paula, dass die junge Frau ebenso wie Silvia Arndt silbern lackierte Fuß- und Fingernägel hatte.
Nach der inneren Leichenschau, bei der Posch den gleichen Stichkanal wie bei Silvia Arndt feststellte, fragte sie ihn, ob dieser Stich wieder die Todesursache war.
Er nickte. »Auch hier haben wir eine Herzbeuteltamponade, also eine Blutung im Herzbeutel, die von Nadelstichen in die Herzwand der linken Kammer stammen.«
»Wie bei Silvia Arndt hat er auch hier ein paarmal ins Herz gestochen?«
»Ja, dazu hat er wieder eine 19 Zentimeter lange, drei Millimeter dicke Nadel benutzt und den Einstich direkt in die Brustwarze gesetzt. Um durch die Rippen genau ins Herz zu treffen, musste sie still sitzen. Aus diesem Grund hat er sie an Händen und Füßen eng gefesselt.«
»Hat er sie vergewaltigt?«
»Rein äußerlich gibt es genauso wie letztes Mal keinen Anhaltspunkt dafür. Vielleicht finden wir aber dieses Mal Spermien. Ich werde bei der Analyse auf Eile drängen und Sie sofort anrufen.« Er fügte hinzu, da Johanna Frenzi in einem Café gearbeitet habe, werde man auf jeden Fall noch eine Blutalkoholbestimmung machen und auch anderen Drogenkonsum prüfen.
Paula wollte sich bereits verabschieden, als Posch sagte, die Frau hätte sowieso nicht mehr lange gelebt.
Paula sah ihn überrascht an.
»Sie hatte Leberkrebs. Ich bin sicher, wir werden Metastasen finden.«
Paula fühlte sich unwohl und wollte gehen, aber Posch hielt sie auf. »Haben Sie eigentlich schon irgendwelche Hinweise?«
Paula schüttelte den Kopf. »Das Merkwürdige an unserem Freund ist doch, wie kunstvoll er die Damen drapiert und unter welchem Risiko er sie dann irgendwo unters Volk setzt - das erfordert höchste organisatorische Fähigkeiten. Und dieses Mal hat er noch mehr getan, als er zum Töten hätte tun müssen - die Folterung vorher. Seine Präsentation und die Folterung vorher sind zwei ganz verschiedene Dinge. Einmal kalter, brutaler Sadismus, und dann diese Mühe anschließend. Er muss sie ja auch noch frisiert und geschminkt haben, bevor oder nachdem er ihr diese Brandwunden zufügte. Für mich macht das keinen Sinn.«
24
Chris’ Zeit reichte gerade, um die Nachrichten im Büro durchzusehen und den Anrufbeantworter abzuhören, auf dem sie die Nachricht fand , dass Heiliger sie um 14 Uhr zu einem Rundgang ins Deutsche Guggenheim einlud. »Da Sie sich für Installationen interessieren«, hatte er hinzugesetzt. Immer wieder fand sie den Namen Deutsche Guggenheim komisch, obwohl sie wusste, dass er sich aus Deutsche Bank und Guggenheim Foundation zusammensetzte und es ein Joint Venture zwischen der Bank und dem Museum war.
Natürlich wollte sie da hingehen. Sie putzte sich schnell die Zähne und rief vorher noch Bach an. Sie erreichte nur seine Mailbox. Aber wo war das Risiko? Sie traf Heiliger an einem öffentlichen Ort, wie Bach ihr schon vor der Vernissage geraten hatte, und sie würde nirgendwo hingehen, wo sie mit ihm alleine war. Immerhin bestand die Möglichkeit, dass Heiligers aggressive Exzentrik ihn vielleicht zu irgendeiner Demaskierung treiben würde. Alles, was Bach über den Täter gesagt hatte, entsprach dem Eindruck, den sie von Heiliger hatte. Er war Künstler, er war sogar erfolgreich, aber das reichte ihm nicht, er war von großem Ehrgeiz getrieben. Und es war möglich, dass die Haare an der Kappe von ihm waren …
Chris lief schnell die breiten Treppen der großen Halle hinunter, die wie eine Kathedrale wirkte. Ihre Schuhe klapperten auf dem Stein. Sie winkte dem Pförtner kurz zu, und als sie hinaustrat, holte sie tief Luft und dachte, welch wundervoller Septembertag, wenn ich nicht diesen Horror am Hals hätte.
Während sie in ihrem Mini Cooper Richtung Brandenburger Tor zu der Verabredung fuhr, ging sie noch einmal Bachs Bemerkungen auf der Sitzung durch. Bach war der Meinung, dass der Mörder den Fortgang der Ermittlungen genau verfolgte. Und er beobachtet und verfolgt mich , dachte sie. Wie leicht das für ihn war. Wenn sie am Tatort war, wenn sie im Fernsehen befragt wurde, wenn sie zu ihrem Wagen ging, wenn sie nach Hause kam, in die Wohnung, in der sie allein wohnte. Seit sie diesen Fall bearbeitete, interessierten sich die Medien für sie. Doch sie wusste, dass sie auch von ihm beobachtet wurde. Und wieder empfand sie dasselbe wie beim ersten Mal, als sie der Toten im blauen Kleid auf der Parkbank gegenübergestanden hatte: die lähmende Angst des
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