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Im Herzen Rein

Im Herzen Rein

Titel: Im Herzen Rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Vanoni
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Heringe. Frisch aus dem Lafayette.«
    Sie legte ihr Handy auf den Tisch und prostete ihm zu. »Lecker.« Sie wusste nicht, warum frische Heringe grüne Heringe hießen, aber sie wusste, dass sie sehr frisch waren, wenn Ralf sie machte.
    Sie nahm einen Schluck Wein. Das war jetzt genau das, was sie brauchte.
    »Wie war dein Tag?« Ralf schnitt Zwiebeln für die Bratkartoffeln.
    »Anstrengend. Wir haben jetzt einen Profiler als Berater. Professor Bach. Er war heute bei der Teambesprechung dabei. Chris wollte ihn unbedingt. Ich war nicht so begeistert, aber für dich wäre die Sitzung interessant gewesen.«
    »Wieso?« Er wälzte die Heringe in Mehl.
    »Es ging um Kunst. Was ist der Sinn von Kunst?« Sie streckte die Beine aus, nahm das Glas und brachte den Wein in kreisende Schwingungen.
    »Interessant.« Er wandte sich lächelnd zu ihr um. »Und was ist der Sinn von Kunst?«
    Sie überlegte. Jetzt, da sie es sagen sollte, konnte sie es nicht formulieren.
    »Du weißt es nicht.« Ralf lachte. »Entweder war der Professor eine Niete, oder du hast nicht aufgepasst. Aber du hast Glück. Du hast einen Hausprofessor, der dir das erklären kann. Möchtest du?«
    Paula war neugierig.
    Er nahm mit der Hand Salz aus einer Glasschüssel und streute es über die Heringe. Dann legte er den Zeigefinger an die Nase und dachte nach. »Die Kunst entsteht durch den Künstler und den Kunstmarkt. Wie eine Aktie durch die Bank und den Aktienmarkt entsteht. Die Bank erfindet ein Papier - eine Aktie, einen Optionsschein, also irgendein Papier, auf dem etwas steht, das du nicht verstehst, und der Markt reagiert darauf, positiv oder negativ. Dann steigt das Papier im Wert, oder es fällt. Der Künstler erfindet auch ein Papier, eine Leinwand, eine Skulptur oder eine Installation, und darauf reagiert der Markt. Der Preis von dem Kunstwerk steigt oder sinkt. Wie das kommt, dass der Preis von der Aktie oder dem Kunstding steigt oder sinkt, weiß man nicht. Aber man kann darauf wetten. Wer eine Aktie kauft, wettet darauf, dass der Preis steigt. Wer ein Kunstding kauft, wettet ebenso, dass der Preis steigt. Manche Spekulanten oder Galeristen gewinnen, andere verlieren. Wer rechtzeitig eine Aktie von Klimt gekauft hat, vielleicht für zwanzigtausend Mark, der hat gut gewettet und kann sie nun für zwanzig Millionen Dollar verkaufen. Kunstgegenstände sind Wettscheine in einem Spiel, dessen Regeln nicht feststehen.«
    Das war typisch Ralf. Er merkte nicht, dass er Mehl an der Nase hatte, aber er wusste, wie kompliziert die Dinge in dieser Welt waren. Sonst ärgerte sie das, dieses Mal interessierte es sie. »Und der Künstler kann diese Wette oder das Spiel nicht beeinflussen?«
    »Doch.« Er wendete die Bratkartoffeln.
    »Wie denn?«
    »Er muss wie der Finanzjongleur eine Nachricht in die Medien bringen, damit die ganze Welt auf seine Kunst starrt.«
    »Und wie kann er das machen?«
    »Durch die Erzeugung einer Sensation. Durch einen Schock.« Er setzte das Essigwasser mit den Pfeffer- und Senfkörnern, dem Lorbeerblatt, Salz und Zucker auf die Flamme. »So, gleich fertig, deck mal den Tisch. Soll ich noch eine Flasche aufmachen?«
    »Verstehe ich noch nicht ganz. Also ein Beispiel. Du malst eine Frau -«
    »Besser eine ganze Serie von einer Frau«, unterbrach er sie.
    »Also gut, du malst von einer Frau eine Serie von Bildern, und dann bringst du die Nachricht in Umlauf, dass du diese Frau vorher ermordet hast. So meinst du?«
    »Das würde sicher klappen.«
    »Aber dann kommst du ins Gefängnis.«
    »Ach, so lange wirst du nicht sitzen. Ein paar Jahre mit guter Führung. Das lohnt sich doch. Hol mal die Teller.«
    Paula wunderte sich, wie salopp Ralf über seine heilige Kunst sprach und wie naiv er Gefängnisstrafen sah.
    Er nahm den Essigsud vom Herd und legte die Heringe in die erhitzte Pfanne. Es zischte. Er trat einen Schritt zurück und fragte: »Was hat das mit eurer Sitzung zu tun?«
    Sie deckte den Tisch. »Du hast doch die beiden ermordeten Frauen im Fernsehen gesehen?«
    »Ja.«
    »Bach behauptet, in der Präsentation der Leichen steckte ein solcher Gestaltungswille, dass der Täter sie buchstäblich als Kunstwerke hergestellt hat.«
    Ralf wendete die Heringe noch einmal und sagte, sie möchte die Bratkartoffeln schon auf die Teller legen. »Warum nicht. Wenn er schon eine Serie von Bildern, oder was immer er macht, vorproduziert hat, die Sachen dann ausstellt und es schafft, sich noch ein bisschen in Verdacht zu bringen, sodass er voll

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