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Im Herzen Rein

Im Herzen Rein

Titel: Im Herzen Rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Vanoni
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betrachtete sie von allen Seiten. Dann fragte er Paula: »Ist das Nagellack auf den Zehen?«
    »Ja.«
    »Das ist typisch für Mädchen. Sie schminken ihre Puppen«, sagte Justus.
    »Was ich meine: Hat die Puppe original angemalte Nägel, oder wurde der Nagellack aufgetragen?«
    »Es ist Nagellack. Er ist vor Kurzem aufgetragen worden, sonst wäre er schon abgeblättert.«
    Bach sah sich die Puppe noch einmal genau an, gab sie Chris zurück und ging an seinen Platz. »Sie finden es suspekt, wenn ich Gedanken äußere, die Ihnen zufällig erscheinen. Sie beruhen aber auf meinen Erfahrungen. So, wie es zu den Erfahrungen von Herrn Justus gehört, dass Puppen auf Kinder schließen lassen. Aber hier haben wir es mit einem schweren Verbrechen zu tun, und die Frage ist, ob auch in solchen Zusammenhängen Puppen auftauchen. Und das tun sie. Neben Satanskulten und Voodoo-Riten fallen mir mehrere Fälle mit Barbiepuppen ein. Und immer handelte es sich um erwachsene Männer. Der eine spickte jeden Quadratzentimeter einer Puppe mit Nadeln und ließ sie auf einer Wiese liegen. Er hatte - wie sich später herausstellte - in seiner Kindheit einen Kinderkeller gehabt, in dem er mit Tieren und Puppen experimentierte, sie malträtiert, verkohlt und getötet hatte. Dort lebte er Aggressionen und Frustrationen aus, die seine Eltern und die sonstige Umgebung sanktionierten. Dort hatte er sich in grausamen Spielen an hilflosen Objekten für das gerächt, was er von seinem strengen Vater oder der dominanten Mutter ertragen musste, ohne sich wehren zu können. Dieser heimliche Kinderkeller war sein Rückzugsort, an dem er sein konnte, wie er war. Und er wurde später auch seine Mörderhöhle, in die er die Frauen verschleppte. So einen Kinderkeller könnte unser Täter auch haben.« Er sah in die Runde. »Bei einem anderen Fall in Colorado bin ich auch um meine Meinung gebeten worden. Mehrere Fotos zeigten einen Mann von Ende zwanzig in Tarnkleidung, der mit einem Gewehr und einer verstümmelten Barbiepuppe stolz am Kühler seines Kleinlasters posierte. Damit hatte er kein Gesetz gebrochen. Ich empfahl, ihn zu beobachten. Es würde ihm möglicherweise bald nicht mehr genügen, seine Fantasien an Puppen auszuleben. Man befolgte meinen Rat nicht. Drei Wochen später wurde eine gefolterte Frau ermordet aufgefunden. Die Serie setzte sich fort, und man fasste den Täter schließlich. Es war der Mann von dem Foto.« Er machte eine Pause. »Der Besitzer dieser Puppe hier hat sie nicht gefoltert, aber in ihr steckt eine Nadel, und ihre Fußnägel sind frisch mit Nagellack bestrichen.«
    Chris betrachtete die Puppe wieder. Die anderen waren aufgestanden und standen um sie herum.
    Bach erklärte: »Auffällig ist, wie unser Täter die Opfer herrichtete. Und diese Barbie ist auch hergerichtet worden. Auch dass sie in dem Schließfach auf der Bank saß, passt in das Raster der kunstvollen Inszenierungen, mit denen wir es zu tun haben. Ich meine mich zu entsinnen, dass im gerichtsmedizinischen Befund von Silvia Arndt Nagellack erwähnt wird. Als ich es las, kam mir schon die Idee, es könnte ein künstlerisches Detail der Arbeit des Täters sein. Ich hatte Sie schon anrufen wollen, um zu fragen, ob der entsprechende Nagellack in der Wohnung Arndt gefunden worden war. Vielleicht könnte man das mal feststellen.«
    Paula fragte Ulla: »Wo ist die Liste?«
    »Die habe ich im Computer«, sagte sie und stand auf.
    »Nimm die Puppe gleich mit«, sagte Paula, »und schick sie in die KT. Ich brauche das Untersuchungsergebnis noch heute.«
    Ulla nickte und verließ den Raum.
    »Silvia Arndt hatte lackierte Finger- und Fußnägel«, bestätigte Paula. »Silbern, wie die von der Barbie.«
    Ulla kam zurück und brachte den Ausdruck der Liste, die alle Dinge aus Silvia Arndts Bad aufzählte. »Nagellack ist nicht dabei.«
    »Ich schlage vor, den Chemiker zu beauftragen, den Lack an der Puppe mit dem Lack der Opfer zu vergleichen«, sagte Bach. »Natürlich ist die Puppe das Symbol für Kindheit .« Dabei sah er Justus an. »Der Täter hat die Puppe an einen Ausstellungsort für Kunstwerke gesetzt. Der Mann, den Sie suchen, ist von extremem Ehrgeiz beherrscht. Er will immer mehr Erfolg. Wozu die Puppe? Ich gehe bei dem Täter im zweiten Teil des Verbrechensablaufs - der Präsentation - nicht von einem zwanghaften Verhaltensmuster aus. Ich suche nach dem rationalen Zweck, der von seinem Ehrgeiz getragen ist.« Er erhob sich, schob seinen Stuhl an den Tisch. »Wir

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