Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Herzen Rein

Im Herzen Rein

Titel: Im Herzen Rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Vanoni
Vom Netzwerk:
Schatten seines Bartes, der sich abzeichnete.
    »Er hat sich sehr um mich gekümmert und dafür gesorgt, dass ich Abi gemacht habe. In der Oberstufe haben wir oft lange Gespräche geführt.«
    »Dann war er so etwas wie ein Vater für dich.«
    »Ja«, sagte er, »unbedingt.« Er lachte.
    Paula hatte immer sein schöner Mund gefallen.
    Er wurde wieder ernst und schien zu überlegen - als wolle er ihr etwas anvertrauen. Dann sagte er: »Nach dem Abi hat er mir gestanden, dass er mein Vater ist.«
    Als katholischer Pfarrer hatte er seinem Sohn dieses Geständnis gemacht. Die Liebeserklärung eines Vaters an seinen Sohn: Du gehörst zu mir, du bist nicht vaterlos.
    »Ich konnte frei entscheiden, ob ich ihn beim Standesamt als meinen leiblichen Vater angeben wollte. Er hätte die Sanktionen auf sich genommen.«
    »Und?«
    Sein Lächeln erinnerte sie plötzlich an das von Pfarrer Mattes. »Ich habe alles gelassen, wie es war.«
    »Hast du mit deiner Mutter darüber gesprochen?«
    »Nein. Nur du weißt es nun.«
    Paula pickte mit dem Strohhalm die Minzeblätter in ihrem Glas auf.
    Der Alkohol, zusammen mit der Aufregung, benebelte sie leicht. Sie stellte ihr Glas weg und lächelte ihn an, als würde sie ihn fragen: Worüber sprechen wir nun?
    »Du hast einen anstrengenden Tag hinter dir«, sagte er entschuldigend.
    Sie spürte den säuerlich-herben Geschmack des Cocktails auf ihrer Zunge. »Ich freue mich, dich zu sehen, Jonas. Und ich habe gerade an die Geschichte mit den Hunden gedacht. Erinnerst du dich noch?«
    Er lachte. »Ja. Wir sind zusammen zu der Ärztin gegangen, weil dich einer gebissen hatte.«
    »Stimmt. Warum hast du das eigentlich getan?«
    Er grinste. »Weil ich damals schon wusste, dass du eine attraktive Frau wirst, Paula.«
    Sie lachte. »Bitte, mehr davon.«
    »Du siehst gut aus, bist intelligent, warmherzig und mutig.«
    »Woher weißt du das alles?«
    Er blieb bei seinem flirtigen Ton. »Wie mutig du bist, hast du mir ja mit den Hunden vorgeführt. Du hast nicht mit der Wimper gezuckt, hast ihnen standgehalten, und als die Jungs merkten, dass ihre Drohung nichts brachte, haben sie aufgegeben und sind gerannt. Mich hat das so beeindruckt, dass ich neben dir hergehen wollte, damit sich dein Mut auf mich überträgt. Und dann bin ich mit ins Wartezimmer von der Sperling, bis sie dich zur Behandlung gerufen haben. Stimmt’s?«
    Ja, es stimmte, wobei er ihr die mutige Rolle zuschrieb, die eigentlich er übernommen hatte.
    Er erklärte ihr, dass sein Handeln meistens von dem Gedanken der Nächstenliebe bestimmt war. Vielleicht war es der Einfluss seines Elternhauses. »Auch das, was ich jetzt mache, entspricht dem. Obwohl wir grundsätzlich ›Hilfe zur Selbsthilfe‹ leisten.« Dann plauderte er davon, dass Berlin nur ein Zwischenstopp auf dem Wege nach Afghanistan sei, und erzählte von seiner Arbeit dort. Seit Wahlen stattfänden, würde man auch an Reformen auf dem Gesundheitssektor arbeiten. Das Ziel sei die Liberalisierung des Gesundheitssystems. Nach Militäreinsätzen müsse die Bevölkerung in den betreffenden Gebieten gesundheitlich versorgt werden, und die dazu nötigen Dienstleistungen würden zunehmend an private Unternehmen und Organisationen vergeben. »Da müssen wir auch gegen Korruption angehen. Unsere Erfahrungen aus Lateinamerika helfen uns, zu immer besseren Ergebnissen zu kommen.« Er betrachtete Paula. »Du siehst, wir arbeiten beide mit dem gleichen Ziel - wir wollen Leben retten.«
    Paula zog skeptisch die Augenbrauen hoch. Johanna Frenzis Leben hatten sie nicht retten können. Chris behauptete sogar indirekt, es sei ihr Fehler gewesen, weil sie nicht gleich Bach als Profiler hinzugezogen habe. »Ja«, sagte sie, »wir versuchen es.«
    »Sicher. Du kämpfst für Gerechtigkeit und willst ungerechtes Sterben verhindern.«
    Sie prostete ihm mit dem letzten Schluck zu, weil er mögliche Gemeinsamkeiten betonte. »Nur, dass du viele Menschenleben rettest und dafür weit reist.«
    »Das klingt abenteuerlich. Ist es teilweise auch, aber ganz anders, als man sich das allgemein vorstellt. Es ist harte Arbeit.« Er zuckte mit den Schultern. »Aber sinnvoll.« Er sah sie nachdenklich an. »Warum jagst du Mörder? Und bringst dich dabei selbst in Gefahr?«
    »Vielleicht klingt es albern, aber ich will Gerechtigkeit.«
    »Das ist gar nicht albern, aber abstrakt.«
    »Für mich ist es ganz konkret.«
    »Ja, klar. Aber dein persönliches Motiv?«
    Sie lachte. »Da habe ich noch nicht in meiner

Weitere Kostenlose Bücher