Im Herzen Rein
sein.«
»Nein!«
Paula entging das Beben unter dem entschiedenen Nein nicht. Sie dachte, dass sie als Ermittlerin den Fall aufklären musste und dass sie dann am Schluss die Akten mit allen Daten und Fakten der Staatsanwaltschaft übergeben würde - gleichgültig welche Hypothesen, Ansichten oder Probleme der ermittelnde Staatsanwalt im Laufe der Zeit gehabt hatte. »Lass uns das Ergebnis der Kriminaltechnik abwarten.« Sie schaute zur Uhr. »Wenn du willst, kann ich da jetzt hinfahren und mich darum kümmern, dass es vorangeht.«
Chris war einverstanden. Als sie hinausgingen, hakte sie sich bei Paula ein. »Es gibt immer zwei Möglichkeiten«, sagte sie mit einem schiefen Lächeln. »Entweder die Wirklichkeit ist verrückt oder die Person, die sie wahrnimmt.« Sie umarmte Paula. »Ich bin nicht verrückt.«
28
Paula fuhr zum LKA am Tempelhofer Damm, einem großen Gebäudekomplex, modern, licht und weiß, mit langen, offenen Gängen. An der Pforte zeigte sie ihren Ausweis und sagte, sie wolle zur Kriminaltechnik, Abteilung Chemie. Die KT befand sich im Parterre und ersten Stock des LKA und beschäftigte mehr als 500 Mitarbeiter. Paula hatte von unterwegs angerufen und erfahren, dass Dr. Karl Dankert die Untersuchung leite.
Als sie die Werkstatt betrat, beugte sich Dankert gerade über die Barbiepuppe auf dem Tisch, mit einer Zange in der linken und einem kleinen Uhrenmesser in der rechten Hand. Die Barbie lag auf einer Plastikfolie, umgeben von Geräten und Werkzeugen.
»Frau Zeisberg, nehme ich an.« Er blickte nur kurz auf und arbeitete weiter.
»Ja. Haben Sie den Nagellack schon analysiert?«
»Das Ergebnis ist gerade aus dem chemischen Labor gekommen. Der Lack hat genau dieselbe Zusammensetzung wie der Nagellack an den Leichen.«
Wenn das so ist, hatte der Mörder die Puppe in das Fach gelegt, schoss es Paula durch den Kopf. Sie sah, wie Dankert das Medaillon der Barbie, das im Oberteil einer besonders geformten Zange lag, mit einem feinen Messer zu öffnen versuchte. »Wir haben keine Körperspuren an der Puppe entdecken können, weder Haare noch Schweiß, noch Fingerabdrücke. Die Puppe entspricht dem Barbie-Serientyp Nummer T 1073 aus diesem Jahr. Das Modell heißt The blue dress Barbie .«
Dankert mühte sich mit dem Medaillon ab und fluchte leise, dass das Ding vielleicht gar nicht zu öffnen sei. Doch dann sprang der Deckel auf.
»Schwuppdiwupp, da haben wir - Geheimnis Nummer vier«, kalauerte er. Mit dem Messerchen tippte er auf das Medaillon. »Dieses kleine Schmuckstück gehört nämlich nicht zu der Puppe. Das wurde ihr zusätzlich umgehängt. Daher wollte ich herausfinden, ob etwas drin ist. Da, sehen Sie? Ein Foto.« Er rückte zur Seite, damit Paula es ansehen konnte.
Das Medaillon hatte etwa einen Zentimeter Durchmesser, und das Foto war so klein, dass man das Gesicht der Frau darauf nicht erkennen konnte. Es war eine Frau im blauen Kleid auf einer Parkbank, das war eindeutig.
Paula kniff die Augen zusammen, um schärfer sehen zu können.
»Ich kann Ihnen eine Lupe geben.« Dankert holte ein Vergrößerungsglas.
»Danke.« Paula erwartete, das Gesicht von Silvia Arndt zu sehen. Sie hatte sich geirrt: Es war Chris’ Gesicht.
Paula ließ das Vergrößerungsglas sinken. Ihr Herz klopfte. Der Mörder hatte ein Thema - das blaue Kleid - und ganz offenbar das Ziel, die Staatsanwältin in den Wahnsinn zu treiben.
»Hat es etwas gebracht?« Paula sah Dankerts tief liegende Augen unruhig flackern. Er war Mitte vierzig und hatte einen Dreitagebart, der seine eingefallenen Wangen kaschierte. Seine Haut war bleich. Er schien viel zu rauchen und unregelmäßig zu essen.
»Im Moment sagt mir das Foto nichts«, log sie. Sie legte die Lupe auf den Tisch zurück. »Es könnte aber bedeutsam werden, deswegen möchte ich das Medaillon mitnehmen. Den Bericht kriege ich erst morgen, oder?«
»Ja. Der Mist muss noch getippt werden.« Er stand auf, kramte in seinem Regal, fand eine kleine Pappschachtel und legte die Kette mit dem Anhänger hinein. »Ich schlage vor, es nicht zuzuklappen, weil Sie es dann vielleicht nicht wieder aufkriegen oder das Foto dabei beschädigen. Sie müssen es vorsichtig transportieren.«
Paula bedankte sich und wollte gehen, wartete aber noch, weil er umständlich an seinem dünnen Plastikhandschuh zog, um ihr die Hand zu geben. »Ihr voriger Fall, super Arbeit. Spitze, der Schuss, mit dem Sie den Typen niedergestreckt haben.«
Beim Hinausgehen rief er ihr hinterher:
Weitere Kostenlose Bücher