Im Herzen Rein
Automechaniker, der Salsa tanzt und sie orgiastisch in den Armen wiegt. Sie hatten beide gelacht, aber eine ernsthafte Äußerung zu diesem Thema würde man von ihr nicht bekommen.
Nun fühlte sie sich von diesem Killer aufs Korn genommen. Wenn ihr tatsächlich jemand auf so aufwendige Weise Angst machen wollte, musste er sie kennen. Wer würde sich sonst die Mühe machen und ein solches Risiko auf sich nehmen? Paula hatte die Männer ihrer letzten Affären überprüfen lassen. Sie waren das, was Chris »Kerle« nannte, und Kerle waren Männer, die knallige Akzente in ihr Leben brachten. Alles, was sie sonst nicht hatte. Ihr Kollege Neuenfeld zum Beispiel machte ihr den Hof, aber er hatte keine Chance.
In diesem Licht sah Paula Chris’ Affinität zu Heiliger. Er war ein »richtiger Kerl«. Ein interessanter Künstler. Ihre Absicht, von dem Jogger illegal eine Haarprobe oder Ähnliches zu holen, fand Paula bedenklich. Im Allgemeinen ging die Freundin sehr rational vor, aber ihre Angst, verbunden mit einer Faszination für diesen Heiliger, machte sie blind. Sie sah ihn als Täter, sie wusste nur nicht, aufgrund welcher Indizien sie ihn überprüfen sollte.
Im Auto auf dem Weg zum Büro versuchte sie zum dritten Mal vergeblich, Chris zu erreichen. Das Handy war ausgeschaltet, im Büro war sie noch nicht, und zu Hause nahm sie nicht ab.
Vielleicht könnte sie sie vor der Sitzung noch über den Bombenalarm und die Puppe informieren, sonst wäre sie die Einzige, die die Information nicht hätte.
Als sie ankam, waren Bach und Chris schon da.
Er saß wieder auf demselben Platz. Vor ihm auf dem Tisch lag nichts. Er machte sich keine Notizen, benutzte keinen Block, kein Diktafon. Er wirkte wie ein eleganter Besucher, der nicht gekommen war, um zu arbeiten, sondern um einen Eindruck zu gewinnen, wie die Welt aussah, in der der Teufel wütete.
Ohne vorher mit Chris sprechen zu können, eröffnete Paula die Sitzung und berichtete über den Fund im Guggenheim. Sie tat es nur für Chris, denn die anderen wussten schon Bescheid. Doch Chris schien verärgert, wurde blass und starrte Paula an, als wäre es ihr Fehler, dass sie nicht erreichbar gewesen war. Paula erwähnte extra, dass sie es dreimal versucht hatte, aber sie schien das gar nicht zur Kenntnis zu nehmen. Sie war angespannt und völlig zu.
»Das ist das Zeichen«, sagte Bach, »das er uns schicken wollte.«
»Wie sieht denn die Barbiepuppe aus?«, wollte Tommi wissen.
Paula gab ihm die Puppe in der durchsichtigen Plastiktüte. »Nimm sie aber nicht raus, sie muss noch in der KT auf Spuren untersucht werden.«
Er sah sich die Puppe im blauen Kleid, mit den blonden Haaren, dem weißen Gürtel mit dem roten Knopf und der Kette mit dem runden Anhänger genau an.
»Ich habe heute Morgen mit unserem Psychologen vom LKA telefoniert«, sagte Justus in Richtung Bach, während die Puppe reihum ging. »Doktor Krampe ist der Meinung, dass die Puppe aus dem Schließfach nichts mit unseren Morden zu tun hat. Warum sollte sie auch? Ich habe mit dem Museum telefoniert. Gestern Nachmittag war eine Schulklasse dort. Und alle Schüler mussten ihre Sachen in die Schließfächer legen. Mit Sicherheit hat ein Kind seine Puppe dort vergessen und den Schlüssel vom Fach mitgenommen. Ich werde nachher die Lehrerin anrufen.«
Chris hatte die Plastiktüte mit der Puppe in der Hand, und Paula sah, dass ihre Hände zitterten. Sie starrte auf die Barbie. Paula hätte sie gern gefragt: Was ist denn los?
Aber das wollte sie nicht vor den anderen. »Das Fach Nummer 31 liegt eigentlich zu hoch für ein Kind, ich habe es mir angesehen. Was für eine Klasse war es denn?«, fragte sie Justus.
»Die Mädchen sind zehn.«
»Ich war mit zehn schon eins fünfundsechzig«, sagte Max.
»Wie wurde die Barbiepuppe denn in dem Schließfach aufgefunden?«, fragte Bach.
»Sie saß auf der Holzbank, die auch im Plastikbeutel ist.«
»Das ist doch seltsam«, sagte Waldi. »Sie trägt ein blaues Kleid und sitzt auf einer Bank - wo dies schon zu einem Medienbild geworden ist.«
»Und eine rote Perle steckt in ihrem Bauch«, sagte Tommi.
Justus wehrte ab. »Vielleicht ist an dem roten Knopf gar keine Nadel. Und wenn schon, sie steckt nicht im Herzen, sondern hält den Gürtel. Eine Stecknadel ist die einfachste Möglichkeit, ihn zu befestigen.«
Bach war um den Tisch herumgegangen. »Darf ich sie noch einmal haben?«
Chris nickte. »Bitte.«
Er nahm die Tüte, schob seine Brille auf die Stirn und
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