Im Herzen Rein
»Ich bin sicher, Sie kriegen dieses Ungeheuer auch.«
Als sie im Auto saß, drehte sie die Scheiben hoch und stellte die Musik laut. Sie wurde von einem Glatzkopf mit Dschingis-Khan-Bart überholt, der seine mit Ringen geschmückte Hand lässig am Steuer hatte und sie angrinste. Dabei zeigte er seinen Brillanten im Vorderzahn und kniff ein Auge zu.
Paula nickte, hob den Daumen und sagte wütend vor sich hin: »Vielleicht bist du ja das Arschloch. Man kann nie wissen.«
Der Typ grinste noch mehr und gab Gas. Sie spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. In Gedanken sah sie die Frau auf der Parkbank vor sich, dann Johanna Frenzi im Kino und dann Chris’ Gesicht auf dem Foto im Medaillon. Sie ließ immer Bilder vor ihren Augen entstehen und versuchte, in sie einzudringen. Dabei fragte sie sich: Wie ist es dazu gekommen, dass die Dinge so sind, wie sie sie vorgefunden hat? Doch jetzt kam etwas Neues hinzu: das persönliche Betroffensein, das klares Denken erschwerte. Ihre Freundin wurde von der Regie des Bösen eingekreist, und das machte Paula zu schaffen.
Bachs Vision von dem wahnsinnigen Künstler mit Ruhmessucht konnte dies nicht erklären, denn wenn er Frauen tötete und wie Kunstwerke ausstellte, um berühmt zu werden, brauchte er die ermittelnde Staatsanwältin nicht einzubeziehen. Dies sah eher nach der Rache eines von Chris verurteilten Straftäters aus. Sie hatte einen benannt, der dafür infrage kommen könnte, und den hatten sie überprüft. Er war wegen massiver Gewalt an Vilma del Fuente von Chris angeklagt worden und mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Marius hatte ihn überprüft und herausgefunden, dass er ein eindeutiges Alibi für beide Taten hatte. Mehrere Zeugen, die mit ihm weder verwandt noch befreundet waren, hatten das bestätigt. Paula war mit Chris noch andere Möglichkeiten durchgegangen, aber es hatte sich kein substanzieller Verdacht ergeben.
Geblieben war Bachs Vision von dem wahnsinnigen Künstler mit Ruhmessucht. Und wieder kam ihr der Einwand, dass Ruhmessucht die psychische Treibjagd auf die ermittelnde Staatsanwältin nicht erklärte. Sie hatten bislang keine Handhabe, um eine aussichtsreiche Befragung mit Heiliger durchzuführen. Die Überprüfung seines Alibis könnte vielleicht erbringen, dass er als Täter auszuschließen wäre. Doch Chris würde es kaum erleichtern, zu wissen, wer nicht infrage kam. Allerdings hatte die Barbiepuppe nun den Akzent verschoben.
Der Täter hätte Chris auch in anderer Weise signalisieren können, dass er sie beobachtete, dass er sie überall in der Öffentlichkeit im Auge hatte. Aber er wählte ein Museum, in dem eine viel besprochene Installation zu sehen war. Das würde er nur tun, wenn er sich in einer solchen Örtlichkeit sicher fühlte. Es war nicht sein erster Besuch im Guggenheim, er wusste sich dort sicher und unauffällig zu bewegen. Er hatte die Barbie in das Fach gesetzt, nachdem Chris ihre Tasche dort herausgeholt hatte. Er rechnete damit, dass die Angestellten bei einem verschlossenen Fach wie bei einer Bombendrohung reagieren würden und die Puppe früher oder später auf dem Schreibtisch der zuständigen Staatsanwältin landen würde. Paula musste zugeben, dass man an Josef Heiliger nicht mehr vorbeikam. Er hätte Chris nach dem Galeriebesuch ins Kino folgen können, er joggte täglich an der Parkbank vorbei, auf der Chris mittags immer gesessen hatte, er war fasziniert von ihr, hatte sich am Fundort der ersten Leiche bemerkbar gemacht, und er schuf Installationen wie das ertrinkende Liebespaar. Er war ein Künstler, der mittels forcierter Provokationen seinen Ruhm vergrößerte.
Paula hatte noch ein Problem. Chris’ Angst, verfolgt zu werden, war ein Geheimnis zwischen ihnen. Chris hatte ihr das Versprechen abgenommen zu schweigen, und sie hatte sich als Freundin daran gehalten. Doch nun hatte sich die Situation verändert, und sie fand es richtig, Bach ins Vertrauen zu ziehen.
Er hatte sich als kompetent erwiesen, und gerade für diese Art von Psychoterror war er zuständig. Andererseits freute es Paula, dass er bislang noch nichts davon wusste. Mit seinem Röntgenblick als Profiler hätte er eigentlich etwas von der Absicht des Mörders erkennen müssen, die zuständige Staatsanwältin zu bedrohen. Hatte er aber nicht. Zugeben musste sie aber, dass Bach immerhin gleich darauf gekommen war, dass die Puppe zu den Zeichen des Täters gehörte, und sie war ja deshalb in Chris’ Fach gelegt worden, um sie in Panik zu
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