Im Herzen Rein
Frau mit blondem gelocktem Haar und einem rot geschminkten Mund, der oft lachte. Die Gäste sahen sie gern, nicht nur die Männer.
Es klopfte an der Tür. Marius kam herein, Paula drückte auf Stopp und stöhnte, wie viel sie noch vor sich habe.
Er sagte, Kemper sei mitgekommen, und sie entschied, dass er das Gespräch mit ihm führen sollte. »Lass Ulla mittippen, dann kann er gleich alles unterschreiben, bevor er abreist. Zieh es möglichst in die Länge, und komm noch mal vorbei, bevor er geht. Ich suche ihn gerade auf den Bändern.«
»Yes, Ma’am«, sagte Marius und nahm eine Scheibe Tomate mit Mozzarella.
»Habt ihr alle Angaben von Kemper überprüft?«, fragte sie.
»Haben wir«, antwortete er kauend. »Habe Tommi und Max gestern Abend losgehetzt, und die haben sogar den Besoffenen aufgetrieben, der Kemper vor Frenzis Wohnung aufs Autodach gehauen hat. Stimmt alles.«
»Gut. Sehr gut.«
»Danke«, sagte er grinsend, nahm zur Belohnung noch mal Tomate mit Mozzarella und verschwand.
Auf den Bändern waren bereits Tage vergangen, und sie war Walter Kemper immer noch nicht begegnet. Sie ging zu Tommi hinüber, der vor dem anderen Videogerät hockte, solange Marius mit Kemper beschäftigt war. Sie nahm einen Schluck Kaffee und fragte Tommi, ob er etwas entdeckt habe. Er schüttelte den Kopf und ließ ein paar böse, aber witzig gemeinte Kommentare über Leute ab, die er erkannt hatte.
Sie ging in ihr Büro zurück.
Nach ein paar Minuten durchzuckte es sie. Sie ließ das Band ein Stück zurücklaufen, drückte Play und sah gebannt auf den Schirm: Die Tür des Lokals ging auf, und ein Typ mit einer Baseballkappe trat ein. Sie stoppte in dem Moment, als die Kamera die beste Position für sie hatte. Leider konnte sie nicht heranzoomen, aber die Kappe war deutlich zu sehen: Sie war schwarz mit einem weißen N und Y darauf. Die gleiche Kappe wie die im Auto des Opfers!
Der Mann war Anfang dreißig, mittelgroß, drahtig, hatte ein fein geschnittenes Gesicht und eine randlose Brille. Er war mit noch jemand gekommen, gleichaltrig, kräftiger, kompakt, ein lebhafter Bursche mit schwarzen Haaren und dunklen Augen. Der eine trug Jeans, ein weißes T-Shirt, ein blaues Jackett und eben die Kappe, der andere einen Anzug. Den Ersten nannte sie Kappe und den anderen Anzug. Beide suchten nach einem Tisch. Sie wollten sich zu einer jungen Dame dazusetzen, wurden aber abgewiesen und standen säuerlich herum. Dann nahmen sie am Fenster gegenüber der Espressotheke Platz.
Als Johanna erschien und mit dem Block in der Hand nach ihren Wünschen fragte, flirteten und debattierten sie, während die schlanke, hübsche Frau kühl, aber freundlich wartete. Als sie gegangen war, schienen sie über sie zu reden. Sie lachten und schauten immer wieder zu ihr hinüber, in der Hoffnung, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Das klappte nicht, also bestellten sie mehrmals Getränke. Jedes Mal wurde diskutiert, jedes Mal stand sie mit erhobenem Block bereit, ihre Wünsche anzuhören. Sie war aber offenbar nur bereit, die Wünsche zu erfüllen, die zu ihrem Job gehörten. Die Situation war eindeutig. Paula lauerte darauf, wie es weitergehen würde. Doch nichts geschah. Die beiden Männer mussten unverrichteter Dinge abziehen.
Paula ließ Marius und Tommi holen, um ihnen die Passage zu zeigen. Sie sollten darauf achten, ob an einem der Folgetage Kappe oder Anzug wieder auftauchen würden. Marius meinte, es dürfte nicht schwierig sein, die beiden ausfindig zu machen. Er wollte wissen, ob sie Kemper schon entdeckt hatte. Sie schüttelte den Kopf, aber Tommi war fündig geworden und hatte etliche Szenen markiert. Paula schlug vor, sie sich zusammen in Tommis Büro anzusehen. Marius stimmte zu, denn Kemper zeigte sich kooperativ und war bereit, einen späteren Flug nach Stuttgart zu nehmen.
Während Tommi zurückspulte, fragte Paula Marius, ob es bei den Aussagen Kempers Auffälligkeiten gegeben habe.
»Es war der richtige Schachzug von dir, ihm klarzumachen, dass Johanna ihn nicht mit ihrem bevorstehenden Tod belasten wollte und das ganze Theater hier in Berlin nur aus Verzweiflung aufgeführt hat. Er ist jetzt gefasst und tut alles, um uns bei der Aufklärung zu helfen.«
Sie sah, wie Kemper immer wieder in dem Café erschien. Es war sehr deutlich, wie fremd er sich in dem Ambiente fühlte. Das gab ihm noch weniger eine Chance, sein Anliegen vorzutragen. Paula begriff, wie schmerzhaft die Abfuhr für ihn sein musste, die er von der
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