Im Herzen Rein
lachenden Frau erhielt, die sich scheinbar in neuem Lebensglück bewegte. Trotz ihrer Krankheit wirkte sie so erotisch - als gäbe ihr der nahe Tod eine zusätzliche Ausstrahlung.
»Der sitzt da wie eine geprügelte Dogge.« Tommi zeigte die Auftritte dicht hintereinander. »Der Arme muss gelitten haben wie ein Hund.«
»Dabei wollte Johanna ihr Leiden nur verstecken«, sagte Marius. »Welche Anstrengung für beide. Welch ein Missverständnis.«
»Und sie wäre nicht ermordet worden, wenn sie in Stuttgart geblieben wäre«, sagte Paula. »Sie wäre würdiger gestorben.« Aufgewühlt ging sie in ihr Büro zurück.
Ulla kam. »Professor Bach ist da und bittet um ein Gespräch unter vier Augen.«
Hubertus Bach kam freundlich lächelnd herein, roch wie der frische Morgen und ein wenig nach einem Eau de Cologne, das Paula nicht kannte. Seine Haare fielen ihm lässig über die rechte Schläfe. Er trug einen seiner pfeffergrauen Anzüge, ein weinrotes Oberhemd mit grauer Krawatte, einen Ton dunkler als der Anzug. Er geht nicht gern einkaufen, dachte sie, vielleicht kauft er die Sachen immer gleich dreimal. Er warf einen kurzen Blick auf den Bildschirm, auf dem eine Szene aus dem Café eingefroren war, und blieb vor ihrem Schreibtisch stehen.
»Frau Gregor hat mich über Ihren Verfolgungsverdacht informiert. Ist das den anderen Teammitgliedern bekannt?«
»Dem Team ist bekannt, dass Frau Gregors Gesicht in das Foto im Medaillon montiert ist. Von ihrem Verdacht und ihren Vorahnungen, die sie schon beim ersten Leichenfund hatte, habe ich nichts gesagt.«
»Ich denke, das ist richtig«, antwortete er und musterte sie mit so klarer Konzentration, als wäre er schon um den Grunewaldsee gejoggt. Aber er war bestimmt nicht der Typ, der joggte. Er würde Sprints machen. Natürlich hätte er dazu die entsprechende Theorie: Muskeln müssten kurz und grenzwertig angespannt werden, oder so ähnlich.
»Ich habe noch einen zweiten Punkt, den ich gern vor der Besprechung mit Ihnen abklären möchte.«
In dem Moment schaute Marius zur Tür herein. Er war mit der Vernehmung Kempers fertig und fragte, ob sie noch etwas hätte, sonst würde er das Vernehmungsprotokoll jetzt unterzeichnen lassen und Kemper verabschieden.
Paula entschuldigte sich bei Bach, nahm Johanna Frenzis Tagebuch vom Schreibtisch und folgte Marius.
Kemper saß so da, wie er im Hotel vor ihr gesessen hatte - ernst, mit akkurat gebundener Krawatte und scharfen Bügelfalten. Er stand unbeholfen auf und schien erstaunt, dass sie so freundlich auf ihn zukam. »Wenn Sie das Protokoll jetzt unterschreiben, habe ich noch etwas für Sie.«
Er zog seinen Füllfederhalter aus der Tasche, um das Papier, das ihm Marius hinschob, zu unterzeichnen. Dann schraubte er den Füller wieder zu und sah sie erwartungsvoll an.
»Es ist nicht ganz korrekt von mir, aber ich denke, es wird Ihnen helfen.« Sie schlug das Tagebuch auf und zeigte auf das Datum. »Ich habe mir die Mühe gemacht, es mit Ihren Angaben zu vergleichen. Ich denke, Johanna schrieb diesen Satz an dem Tag, bevor sie das Untersuchungsergebnis von dem Arzt in Stuttgart bekam. Dieses Tagebuch sollte das schöne Leben begleiten, das sie mit Ihnen erwartete, bevor die Diagnose dann alles zunichte machte.«
Sie hielt Kempers Hand einen Moment. »Hinten im Heft ist ein Aufkleber des Geschäftes, wo Johanna es gekauft hat. Vielleicht erinnert man sich dort, wann sie das Tagebuch gekauft hat. Den Tag der Krebsdiagnose können Sie sicher in der Klinik erfahren. Vielleicht stimmt meine Theorie. Es wäre nett, wenn Sie mich dann noch einmal anrufen.«
Kemper versprach, sich zu melden, und nahm das Tagebuch, als ob er sich daran festhalten wollte.
Als sie in ihr Büro zurückkam, sagte Bach, er habe aufmerksam alle Obduktionsergebnisse von Johanna Frenzi gelesen. Er tendiere zu der Ansicht, dass es zwei symbiotische Täterpersönlichkeiten gebe, und wolle das jetzt in der Sitzung ausführen.
Paula verstand nicht, warum er das vorher mit ihr persönlich abklären wollte. »Sie werden vielleicht eine Gegnerin meiner These sein, aber ich möchte Sie bitten, nicht darüber zu streiten, sondern meine Annahme trotzdem einfach mal so stehen zu lassen. Ich bin Wissenschaftler, und dieses ständige Überzeugenmüssen macht mehr Mühe, als ich mir anmerken lasse.«
»Ich bin einverstanden.«
Er freut sich darüber wie über das Lob einer Lehrerin, dachte sie belustigt, als er die Bürotür hinter sich schloss. Sie ließ sich
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