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Im Herzen Rein

Im Herzen Rein

Titel: Im Herzen Rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Vanoni
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auf den Stuhl fallen und starrte das stehende Bild auf dem Schirm an. Eigentlich müsste sie die Videos weiter nach dem Typen mit der Baseballkappe durchsehen, aber die Besprechung war dringend, damit alle den gleichen Informationsstand hatten. Außerdem interessierte sie die neue Richtung, die Bach angedeutet hatte. Viel mehr nervte sie die Pressekonferenz, die sie anschließend hinter sich bringen musste.
    Sie drückte auf Play, und die Szene im Café lief weiter. Georg Valentin begrüßte gerade einen Mann, den Paula tatsächlich als Anzug erkannte, aber da klopfte es an der Tür, und sie musste wieder unterbrechen .
    Max holte sie zur Besprechung, die anderen warteten bereits. Chris und Bach standen zusammen und unterhielten sich. Paula fragte, was bei der Kleiderermittlung herausgekommen sei.
    Waldi berichtete, dass das blaue Kleid von der Modekette C&P in Berlin insgesamt zweiundzwanzigmal verkauft worden war. Die meisten Käufe wurden bar bezahlt, ihnen konnte man nicht nachgehen. Die Käuferinnen, die mit Kredit- oder Bankkarten gezahlt hatten, waren überprüft worden. Jede konnte das gekaufte Kleid vorweisen.
    »Die werden kaum noch Spaß daran haben«, murmelte Max und steckte sich ein Gummibärchen in den Mund.
    »Oder gerade«, meinte Tommi. »Wo doch das blaue Kleid in allen Medien ist. Es ist berühmt.«
    Ulla lachte, und alle fingen an, ihre Meinung darüber zu äußern. Paula ließ es zu. Bei einem so belastenden Fall waren Momente der Entspannung für das Team wichtig.
    Bach bat um die Fotos von der zweiten Leiche.
    Justus breitete sie einzeln auf dem Tisch aus. Wie ein
    Simultanschachspieler ging Bach den Tisch entlang, rückte das eine Foto zurecht oder nahm ein anderes auf, um es näher zu betrachten, blieb bei einem dritten länger stehen und erledigte dann drei oder vier schnell hintereinander, indem er sie mit dem Mittelfinger nur kurz antippte. »Gute Arbeit«, sagte er anerkennend.
    Tommi erklärte, der Fotograf sei auch einer der besten, und grinste dabei so breit, dass ein Außenstehender wie Bach meinen musste, er mache einen Witz. Paula wusste aber, dass Tommi eine Zeit lang immer eine Kamera dabeigehabt hatte, überall alles fotografierte, aber schließlich aufgab, weil Scholli einfach zu gut war.
    Bach nickte Tommi lächelnd zu.
    Männer, dachte Paula. Sie verarschen sich gegenseitig, grinsen sich aber an, als erkenne jeder den anderen als Prachtexemplar an. »Meine Herren, wie wär’s, wenn wir uns auf die neuen Erkenntnisse durch die letzten Obduktionsergebnisse konzentrieren würden? Ich hoffe, ihr habt den Bericht genau gelesen.«
    Alle nickten, aber Paula hatte so ihre Erfahrungen mit dem Lesefleiß. Sie wusste, dass Waldi wenig Zeit zum Lesen hatte, weil er familiär sehr beschäftigt war - er liebte seine Frau, das Kind und die gute Küche -, und dass Tommi kaum dazu kam. Daher bat sie Chris, das Wesentliche zu referieren. Sie war bei der Obduktion dabeigewesen, und Paula wusste, dass sie einen präzisen Bericht liefern würde.
    Genau so war es.
    Paula brauchte im Anschluss nur die Handlungen des Täters zu akzentuieren, auf die es hier ankam: »Im Gegensatz zum ersten Opfer hatte Johanna Frenzi Verletzungen und kleine Blutgerinnsel in der Nasenschleimhaut. Der Täter muss sie geschlagen haben.« Und mit einem Blick zu Bach: »Entweder war der Täter diesmal brutaler, oder Johanna Frenzi hat sich im Gegensatz zu Silvia Arndt gewehrt. Außerdem lassen die beschriebenen Strommarken im Bereich beider Brüste und der Scham keinen Zweifel daran, dass der Täter sie mit zwei Stahlringen und einem Stahldreieck gefoltert hat, die er vorher zum Glühen brachte. Zusätzlich wurden bei ihr Spermien gefunden, das heißt, er hat sie auch vergewaltigt. Sonst aber hat er seine erste Tat genau kopiert. Ein Stich ins Herz mit gleicher Nadel, das gleiche blaue Kleid, gleiche Vorbereitungen beim Erstarrungsprozess, auch das Aussetzen der Leiche in ähnlichen Umständen. Der Effekt auf die Öffentlichkeit, der beabsichtigte Schock nämlich, war sicher noch größer. Auffällig ist, dass der erste Teil des Verbrechens an Silvia Arndt - die Phase ihrer Hinrichtung - keine dieser grausamen Merkmale aufweist. Damit stellt sich die Frage, ob wir es mit demselben Täter zu tun haben oder ob hier vielleicht eine Nachahmungstat vorliegt. In der Art der Hinrichtung des zweiten Opfers zeigt sich eine Handschrift, die nichts mit dem krankhaften Ehrgeiz oder der forcierten Ruhmsucht eines Künstlers zu tun

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