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Im Herzen Rein

Im Herzen Rein

Titel: Im Herzen Rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Vanoni
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hat, wie Professor Bach es im Profil für den ersten Mord entwarf.« Sie sah Bach an und erteilte ihm mit einer Handbewegung das Wort.
    Bevor er etwas sagen konnte, ging Ulla dazwischen. »Die Frenzi hat sich offenbar gewehrt und deswegen Schläge auf die Nase bekommen. Hat es denn Sinn, sich als Frau in einer solchen Situation zu wehren?« Ulla hatte vor Aufregung rote Flecken im Gesicht. Paula hatte eine so emotionale Reaktion von ihr noch nicht erlebt.
    Bach fing das elegant auf. »Das kommt ganz auf den Tätertyp an. Die Nützlichkeit einer Gegenwehr oder einer klaren Unterwerfung ergibt sich aus der Kommunikation, sprich Interaktion zwischen Täter und Opfer.«
    Damit war Ulla nicht schlauer, und sie blickte so drein, als würde sie von nun an abends am besten gar nicht mehr auf die Straße gehen.
    Paula schaute zur Uhr und forderte Bach auf, etwas zum Hauptproblem zu sagen.
    Ulla entschuldigte sich, sie habe nicht unterbrechen wollen.
    »Ich muss als Voraussetzung für meine Darlegung drei Punkte klären.
    Erstens: Stellen Sie sich bitte zwei Tätertypen vor - Täter A, der alles ausführt, was bis zur Fesselung der Opfer reicht, und Täter B, der die Opfer fesselt und in Position bringt, sie schminkt und kämmt, ersticht und erstarren lässt und dann dort hinfährt, wo er sie inszenieren will.
    Zweitens: Die beiden Morde stehen in engem Zusammenhang - kein Nachahmungstäter könnte das Verbrechen so exakt kopieren. Den Obduzenten nehme ich mal aus.« Die Runde schmunzelte.
    »Drittens: Trotz dieser Kongruenz gibt es einen qualitativen Bruch zwischen dem Vorgehen bei Arndt und bei Frenzi. In Silvia Arndts Fall gibt es für den ersten Teil der Begehung keine relevanten Hinweise auf eine Handschrift des Täters. Man kann also - um in unserem Bild zu bleiben - sagen, dass Täter A im Fall Silvia Arndt gar nicht aufgetreten ist. Es gab also nur Täter B, den kalkulierenden Menschen, der mit krankhaftem Ehrgeiz das Äußerste riskiert, um öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen.«
    »Aber er will ja eigentlich Anerkennung«, meldete sich Tommi.
    »In dem Sinne, dass heutzutage Anerkennung gleichgesetzt wird mit extremer öffentlicher Aufmerksamkeit. Die Medien fokussieren nicht auf Qualität und Inhalt, sondern auf Verkaufszahlen.« Paula war sich nicht sicher, ob Tommi das verstanden hatte, aber er schwieg, und Bach fuhr fort: »Zurück zu unserem Täter B. Das Entscheidende ist bei dieser Kennzeichnung, dass ein Tätertyp wie B seine Taten variieren kann, er ist in der Lage, sie jedes Mal anders zu gestalten. Die Gestaltung ist für ihn nur Voraussetzung für den eigentlichen Zweck. In diesem Fall Ruhm. Er will Öffentlichkeit. Nur dafür tötet er. Täter A hingegen will sich an den Frauen vergnügen, brutal, rücksichtslos und grausam. A ist vom Typ her ein alter Bekannter, für die Tatausführung trägt er eine - wie wir sagen - Handschrift . B ist ein Novum.«
    »Wenn wir in A den typisch zwanghaften Serienkiller vor uns haben, muss es für ihn einen Auslöser geben«, sagte Justus. »Zum Beispiel die blonden Haare, das Alter oder irgendetwas. Er kann sich die Frauen nicht von B aussuchen lassen.«
    Bach stimmte zu. »Davon gehe ich auch aus, ja. Er wird im Fall Silvia Arndt auch dabei gewesen sein, wird sie sich ausgesucht haben. Dieser Auslöser ist ganz wichtig, da haben Sie recht. Aber es ist oft unmöglich herauszufinden, was es tatsächlich ist, das so ein zwanghaftes Verhalten ablaufen lässt.«
    »Silvia Arndt war ein schüchterner Typ; vielleicht hat es etwas damit zu tun«, sagte Ulla.
    Bach goss sich Kaffee aus der Kanne ein, die Ulla ihm hinschob. Er schüttelte den Kopf. »Johanna Frenzi war ja ein anderer Typ. Es muss etwas anderes gewesen sein, das beiden Frauen gemeinsam war. Grundsätzlich kann jeder Opfer eines Serienkillers werden - es kommt darauf an, was der Killer sucht. Es ist wie bei der Liebe auf den ersten Blick. Niemand weiß, was es ist und wie es funktioniert, aber es passiert. Und genauso unvorhersehbar wird ein Serienkiller von dem Blitz getroffen.« Er lächelte. »In dem Fall müsste man sagen: Todeslust auf den ersten Blick.«
    »Aber man setzt doch im Strafvollzug Therapeuten ein«, sagte Justus. »Also geht man doch davon aus, dass Serienkiller therapierbar sind, dass es für sie Handlungs- und Entscheidungsspielraum gibt.«
    Dieses Thema schien Bach aufzuregen. Paula hatte den Eindruck, dass sich seine Gesichtshaut rötete. Er stand abrupt auf. Mehrmals strich er sich das

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