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Im Himmel ist die Hölle los

Im Himmel ist die Hölle los

Titel: Im Himmel ist die Hölle los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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die Gefahr, daß sich das Leben falsch entwickelt. Dann werden statt der meisterhaft entworfenen Designer-Lebensformen, die der Hersteller im Sinn gehabt hat, seltsame entstellte Mutanten mit schlecht funktionierenden Körperteilen und vollkommen ungeeigneten Voraussetzungen für die Weiterentwicklung aus der brodelnden grünen Brühe hervorgehen, von der die Oberfläche bedeckt ist.
    Wenn man ganz genau hinsieht, erspäht man in einer Ecke des Hangars eine verwahrloste Gestalt, die die allererste verschlissene Jeans und das früheste Def-Leppard-Sweatshirt trägt und mit einem Besen in der Hand und einem Kopfhörer über den Ohren ohne Sinn und Verstand faulenzt. Es wird noch viele Jahrtausende dauern, bis Sony den Walkman erfindet, aber diese Gestalt will schon frühzeitig Übung bekommen. Ihre Chancen auf Beförderung sind gering.
    Und am sechsten Tag wachte der kleine, aber ehrgeizige junge Beamte auf, zog sich die abgetragene schwarze Fliegerjacke aus Leder an, setzte sich die Schutzbrille auf und schlenderte zuversichtlich zum Hangar hinüber. Bisher hatte er nach seiner eigenen Meinung ganz gute Arbeit geleistet. Das hatte ihm der Boß höchstpersönlich versichert, und der sollte es schließlich wissen. »Ganz gute Arbeit, die Sie hier leisten, mein Junge«, hatte er gesagt, und selbst wenn man sich alle erdenkliche Mühe gab, deutlicher konnte man es wohl kaum ausdrücken.
    Er stieg ins Cockpit, überprüfte die Einstellung des Rückspiegels und den Ölstand und legte den Sicherheitsgurt an. Ganz gute Arbeit, mein Junge. Recht hatte er gehabt. Ehre, wem Ehre gebührt, und so weiter und so fort.
    »Landeklappen?« brüllte er.
    »Wie bitte?«
    Der Beamte seufzte. »Ich sagte: Landeklappen!« schrie er zurück.
    »Was ist mit denen?«
    »Sind die eingerastet oder nicht? Komm schon, Mann, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!«
    »Landeklappen sind eingerastet.«
    »Zündung?«
    »Ja.«
    Der junge Beamte machte eine verzweifelte Geste. »Oh, das darf doch wohl nicht wahr sein! Ist die Zündung an oder aus?« schrie er. »Oder muß ich kommen und selbst nachsehen?«
    »Zündung ist an.«
    »Hurra! Also schön, Kontakt.«
    Pause.
    »Ich sagte, Kontakt«, knurrte der junge Beamte. »Aber natürlich hört mir keiner zu. Ich führe hier wohl Selbstgespräche. Aber das ist nur gut so, denn es ist für mich die einzige Möglichkeit, hier ein vernünftiges Gespräch zu führen. KONTAKT!«
    »Ja, in Ordnung. ’tschuldigung.«
    Erst war ein dumpfes Geräusch zu hören, dann ein Donnern, und schließlich begann der ganze Hangar zu beben, als sich die vier riesigen Kompressionsräume der gewaltigen Maschine mit kaltem, blauem Feuer füllten. Der junge Beamte schob sich die Schutzbrille über die Augen, zog den Choke halb heraus und rief: »Bremsklötze weg!«
    Und dann flog er. Ein paar Sekunden lang schien die Welt viel zu klein zu sein, um eine derart wilde, zügellose Bewegung zu bändigen; dann griffen die Bremsklappen, und der gigantische Flugkörper schoß durch den dünnen Dunstschleier aus Wasserdampf, der über den funkelnagelneuen Ozeanen hing, fing sich und ging in einen geraden und ruhigen Flug über.
    Ein ganz guter Start, mein Junge, sagte sich der kleine, aber ehrgeizige Beamte. Saubere Arbeit. Ist wirklich ganz einfach; man braucht sich nur an dieses Knüppeldings zu klammern, dann fliegt der Vogel ganz von selbst.
    Er beugte sich im Sitz vor und spähte über den Rand des Cockpits. In weiter Ferne erhaschte er durch Gucklöcher in den Wolken, die die ständige Brise in Millionen regelmäßige Wellen strukturiert hatte, einen flüchtigen Blick auf einen strahlendblauen Horizont. Irgendwo dort drinnen rieben sich in diesem Moment die Atome auf wundersame, fast unwahrscheinliche Art aneinander. Das Leben stand unmittelbar bevor.
    Lächelnd lehnte sich der kleine, aber ehrgeizige junge Beamte in den Sitz zurück, entspannte sich, blickte nach oben in das endlose blaue Himmelsgewölbe über sich und begann zu träumen.
    Sicher, im Moment erledigte er eine Arbeit, die nur wenig höher eingeschätzt wurde als die Stellung eines stellvertretenden Hausmeisters, aber das würde ja nicht für immer so bleiben. Schließlich konnten sie nicht einfach einen Auszubildenden nehmen – selbst nicht einen so talentierten wie ihn – und ihn mit einem Satz direkt in ein Büro im fünften Stock befördern; da gilt es gewisse Spielregeln einzuhalten, und schließlich muß jeder erst einmal sein Lehrgeld zahlen. Sobald man denen

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