Im Hyperraum
müssen wir ehrlich zueinander sein.
Verstimmt gab sie zurück: Wir werden niemals Freunde, wenn du dich über mich lustig machst.
Amüsiert legte Highwing seinen wuchtigen Kopf schräg. Nicht
so voreilig, groÃe Jael. Wir sind bereits Freunde. Du wolltest nicht
mit mir kämpfen, also bist du kein Dämon. Du hast mich davon überzeugt,
dass du kein Dämon bist. Freiwillig verrietest du mir deinen Namen â
und auf diese Weise bin ich durch meine Ehre an dich gebunden. Der schalkhafte Funke in seinem Auge erlosch. Wir kamen an diesen Ort, weil ich hier bestimmte Kräfte entfalten kann; hier kann einer die Wahrheit über den anderen erfahren.
Jael
setzte sich aufrecht hin, um dem Drachen direkt ins Auge schauen zu
können. Was du nicht sagst, wollte sie lästern, doch ihre Blicke
begegneten sich, und kein Wort kam ihr über die Lippen.
Plötzlich wusste sie, was er meinte, wenn er von bestimmten Kräften sprach. Schon einmal hatte sie tief in die glühenden Drachenaugen
geblickt, doch was sie nun erfuhr, war völlig anders. Sie schien in
einen leuchtenden Abgrund zu schauen, der sie wie magisch anzog und sie
verschlang. Sie spürte, wie sie hineinfiel in sein inneres Auge, sich
einem kalten, in viele Facetten aufgespalteten Feuer näherte, das im
Kern dieser smaragdgrünen Sphäre brannte. Dann stürzte sie durch eine
dieser gleiÃenden Facetten hindurch und geriet in einen Strom aus
emporquellendem Licht. Dieses Licht schien Wärme zu spenden; sie sank
hinein, als glitte sie schwerelos auf einer Spirale nach unten, auf das
Zentrum des Feuers zu, in dem das ureigenste Wesen des Drachen wohnte,
sein Bewusstsein ⦠seine Seele. Dort angekommen, traf sie auf einen
Geist, der sie voller Staunen und Neugier musterte.
Vage
erinnerte sie sich daran, dass ihr im Traumlink etwas Ãhnliches
widerfahren war. Damals hatte sie sich gefürchtet, doch nun fühlte sie
sich frei von Angst. Dieses Wesen unterschied sich von sämtlichen
Geschöpfen, die ihr bis jetzt begegnet waren â es strotzte vor Kraft
und Wissbegier. Doch unter diesem Wissensdurst spürte sie eine tiefe
Sorge, eine unverhoffte Freundlichkeit und ein Interesse, welches
völlig ohne Falsch, jedoch von Vorsicht geprägt war. Sie sah
Spiegelbilder von sich selbst und merkte, dass der Drache intensiv ihre
Gedanken erforschte, ihre Erinnerungen und ihre Ãngste auslotete, sie
bis in ihre geheimsten Winkel sondierte. Einen Moment lang wollte sie
sich dagegen sperren. Doch nein ⦠der Drache ging sehr sanft vor, und
auf einmal wollte sie sich ihm offenbaren â¦
Ein Schwall
aus Erinnerungen sprudelte hoch, wie silberne Blasen, die dann frei im
Licht trieben. Ihre Gefühle drifteten umher, als hätten sie sich von
ihr gelöst. Sie sah sich selbst beim Riggen mit Klassenkameraden, und
später in der Cassandra mit Mogurn. Sie sah, wie sie mit ihrer
Mutter über eine Wiese schlenderte und verschiedene Blumenarten
bestimmte. Es musste eine ganze Weile zurückliegen, denn beide machten
einen glücklichen Eindruck. Dieser Spaziergang fand statt, bevor ihre
Mutter ihren Ehemann verlieà und Jael mitnahm. Bevor ihre Mutter starb,
in dem Herbst, als Jael gerade mal elf Jahre alt war. Danach kehrte sie
notgedrungen zu ihrem Vater zurück.
Sie sah Dap, der
sie in der Rigger-Schule besuchte; er war der ältere, der Erfahrene,
sie ein Neuling. Damals hatten sie sich noch gut verstanden, einander
ihre Hoffnungen mitgeteilt und sich Geschichten erzählt. Einmal sah sie
ihren Vater, wie er sehr liebevoll mit ihrer Mutter umging; dann sah
sie, wie er tobte und sie brutal verprügelte. Sie wusste, dass sein
Zorn nicht seiner Ehefrau galt, sondern dem Niedergang seines
Geschäftes. Die Kette von Erinnerungen beschleunigte sich â das
Traumlink und der Pallisp â, dann vermochte sie den sich überstürzenden
leuchtenden Blasen nicht mehr zufolgen, der bloÃe Versuch, Schritt zu
halten, erzeugte in ihr einen Schwindel. Sie fing an zu weinen und sah
alles nur noch verschwommen â¦
Es gab auch andere
Erinnerungen, doch sie gehörten nicht ausnahmslos ihr. Sie sah Drachen,
die miteinander stritten und um Vorherrschaft kämpften, Drachenehre,
welche von Neid und Misstrauen besudelt war. Sie sah, wie an einem Ort,
der das Untere Reich genannt wurde, Zauber gewirkt wurden, magische
Formeln, die Gärten erschufen wie den, den sie geschaut hatte; und
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