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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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“Informationszüchtung” verwandt ist. Ich gebe zu, daß ich eine derart prompte Verwirklichung meiner Ideen aus der Zeit vor dreißig Jahren nicht erwartet habe: Es gehört sich, das Verdienst zuerst der unglaublichen Beschleunigung der wissenschaftlichen Erkenntnis zuzuschreiben, die (nicht zuletzt) der Akzeleration unterlag, weil heute, wie man bereits errechnet hat, mehr Wissenschaftler als in der gesamten vergangenen Zeit bis zur Gegenwart leben und arbeiten.
    In dem, was Chemiker entdeckt haben und was die “pseudobiologische Datenverarbeitung” ankündigen kann, die vielleicht auf die niedrigste Ebene in der Natur führt, da unter den Atomen und ihren Verbindungen wohl bereits die Quantengesetze herrschen, wird allerdings, wie es heute scheint, das Fundament für eine noch weitergehende Mikrominiaturisierung nicht gesucht werden können. Hier herrscht Heisenbergs Unschärfeprinzip, gibt es die sich von den Nukleonen nur mit dem Einsatz kosmogenischer Energie spaltbaren rätselhaften Quarks, und Wellen, die Korpuskel sind, sowie Korpuskel, die Wellen sind … Doch ich würde meinen Kopf nicht dafür hinhalten, daß dies der Datenverarbeitung im kommenden Jahrhundert unzugänglich bleiben wird.
    Die ersten Elemente, die ersten aufgedeckten Ziegel der molekularen Architektur “von unten nach oben” sind, wie das oft am Anfang der Fall ist, ziemlich einfach - fast wie LEGO-Bausteine, wenn auch nicht in jeder Hinsicht. Einstweilen wurden zwei Molekülklassen erkannt: sogenannte “Katenane” und
    “Rotaxane”. Catena heißt im Lateinischen Kette, und auf englisch bedeutet concatenation eine Verkettung der Glieder. So sehen auch die Verbindungen der ersten Gruppe aus:    sie sind wie etwa
    zusammengekoppelte Ringe. “Rotaxane” rotieren, umlaufen die Verbindungsachsen (nicht einer mechanischen, sondern einer physikochemischen Verbindung) zweier molekularen Gruppen, als ob jemand einen Ring um ein mit zwei Kugeln abgeschlossenes Gewicht legen würde. Ganz allgemein muß man sich klarmachen, daß die ungeheuerlich präzise biologische Architektur eigentlich immer in der flüssigen Phase entsteht und nicht in der festen Phase der bekannten solid state electronics . Die flüssige Phase, die Phase der Lösungen oder der Koloide, schafft ganz neue Bedingungen, die nicht nur für die Mechanik der festen Körper und für die “Makro”-Elektrodynamik, sondern auch für die Silikontechnologie unbekannt sind. Grob vereinfachend gesagt, sind Chips wie Tafeln und wir wie Kinder: wir gravieren mit Griffeln Schaltkreise und “Tore” auf das Silikon. In der flüssigen Phase wird all das bereits der Vergangenheit wie Segelschiffe und Ballons in der Ära der Düsenflugzeuge angehören.
    In USA werden bereits dreidimensionale Strukturen synthetisiert, die den in den biologischen Zellen enthaltenen Follikeln ähnlich sind. Und in Harvard werden molekulare Oberflächenschichten geschaffen, die die Entsprechungen der zweidimensionalen organischen Kristalle darstellen. Wiederum eröffnet erst der weitere Ausbau der Rotaxane ein Verständnis dafür, warum die “Erbmatrix”, welche die Nukleotidenspirale darstellt, eigentlich die Form von spiralförmigen “Treppen” besitzt. Wie glühende Enthusiasten der Physikochemie behaupten, sind Katenane und Rotaxane gewissermaßen Vorläufer der molekularen Schaltungen. Es ist nicht mehr schwer, solche molekulare “Apparate” zu schaffen, die die binäre Logik, das Fundament der ganzen digitalen Revolution unseren Jahrhunderts, ausdrücken können.
    Ich bitte, dem Wort “ausdrücken” besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Zwar enthält diese Logik allein keinen Inhalt, jedoch kann man aus solchen Elementen größere Strukturen bauen oder, besser, wird man solche bauen können. Was die Geschwindigkeit betrifft, so sollte diese keinen Kummer bereiten. Die Rotaxane rotieren ca. 300.000 mal pro Sekunde und wiegen ca. 3000 Daltons. Als molekulare Speichersysteme, also als Informationsspeicher, sind sie auch entsprechend winzig: 5 Nanometer bei maximaler Ausdehnung …
    Einerseits haben sich also Chancen für eine Biocomputerarchitektur nach dem molekularen Prinzip des bottom-up abgezeichnet, andererseits aber auch solche für eine vielleicht noch vielversprechendere molekulare Architektur, mit der man endlich imstande sein wird, den zugleich riesigen und rätselhaften Hiatus zwischen allen möglichen Geschöpfen der toten und der lebendigen Materie zu füllen. Im Grunde genommen

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