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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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und blieb lange noch eine Bewohnerin meiner Phantasie. Deswegen wagte ich es nur, darüber in meiner Science Fiction zu schreiben; und so lautet ein Fragment der Überlegungen, die schon 1971 in den Sterntagebüchern des Weltraumfahrers Ijon Tichy veröffentlicht wurden:
    Die alptraumartigen Visionen, die uns manchmal von Futurologen über die Welt der Zukunft vor Augen geführt werden - vergiftet mit Abgasen, verqualmt, in der energetischen, thermischen u.ä. Krise steckend -sind nämlich ein Unsinn: in der postindustriellen Entwicklungsphase entsteht die BIOTISCHE TECHNOLOGIE, die Probleme dieser Art beseitigt. Die Beherrschung des Lebensphänomens ermöglicht es, synthetische Spermien zu produzieren, die man in irgend etwas einpflanzt, mit einer Handvoll Wasser besprengt, und bald wächst aus ihnen das notwendige Objekt. Man muß sich nicht darum kümmern, woher ein
    solches Spermium das Wissen und die Energie für die Radio- oder Schrankgenese nimmt, genausowenig wie wir uns dafür interessieren, woher ein Unkrautsamen die zum Keimen erforderliche Kraft und das entsprechende Wissen nimmt.
    Ende des Zitats. Es war eine Zeit, in der meine “Informationszüchtung” immer noch im Land der reinen Phantasie existierte, denn anders als in einer grotesken Maske oder in einer lustigen Verkleidung konnte ich sie nicht darstellen. Im ganzen Datenverarbeitungsbereich, also in allen Zweigen der Computerentwicklung und der aufeinanderfolgenden Computergenerationen, herrschte ausschließlich die eiserne Regel des Top-down , also “von oben nach unten”: auf Silikonwaffeln hat man immer kleinere Schaltkreise eingeritzt, denn die Geschwindigkeit der logischen Verbindungen, und dadurch die Rechenleistung des Computers, war vom Grad der Mikrominiaturisierung abhängig.
    So ist es bis heute. Mir schwebte hingegen schon von Anfang an eine umgekehrte Konzeption vor: die eines Bottom-up -Verfahrens, also “von unten nach oben”, weil auf diese Weise die Technologie des Lebens funktioniert. Es kann ja nichts kleiner und “kompakter” als die in Genen gespeicherte, passiv schlummernde Information sein, die auf eine aus Teilchen zusammengesetzte, nahe an der atomaren Skala befindliche Nukleotiden-“Konstruktion” reduziert ist und in sich “Sensoren” enthält, die nur darauf warten, die Information zu expandieren und in Bauprozeduren zu verwandeln, gleich ob in irgendeiner Spore, in einem Spermium oder in einem Ei.
    Ich bin selbst einige Zeit nach dem Erscheinen der ersten Ausgabe der Summa Technologiae in
    Verzweiflung    geraten,    ob    meine
    “Informationszüchtung” ein Phantom ist, dessen Verwirklichung bis in alle Ewigkeit nicht möglich sein wird. Irgendwie hat diese Idee kein Echo gefunden, weder ein kritisches, noch ein ironisches oder lobendes. Es ist, als ob ich, statt ein Buch zu publizieren, dessen Typoskript in einen Brunnen geworfen hätte.
    Das Phänomen des Verschweigens von allzu verfrühten Ideen, die sich noch nicht in dem in industriellen Anwendungen umgesetzten Wissen finden lassen, wie in der ganzen riesigen Computerindustrie mit ihrem unveränderten Konzept “vom Größeren zum Kleineren”, also mit ihrem TOP-DOWN-Ansatz, ist ein Phänomen aller Epochen und allen allzu frechen, einsam geborenen Ideen eigen. Wahrscheinlich habe ich aus diesem Grund in der nächsten Ausgabe der Summa Technologiae die Informationszucht einer strengen Kritik unterzogen, weil es so schien, als ob sie weder in meinem Land noch im Ausland überhaupt wahrgenommen worden wäre.
    Man muß feststellen, daß wir sowohl von der “Nanotechnologie”, als auch vom Prinzip BOTTOM-UP anstatt TOP-DOWN immer noch weit entfernt sind, auch wenn sich bereits Wissenschaftler mit dieser Umkehrung - wenn auch nur anfänglich - beschäftigt haben. Davon zeugt ein umfangreicher, in “New Scientist” vom 19. Februar 1994 unter dem Titel “Moleküle, die sich selbst schaffen” (Molecules that build themselves) erschienener Artikel. Und in der Tat wird im Untertitel gesagt: “Die Natur stützt sich auf solche komplexen Moleküle wie die der DNA, die sich selbst zusammenbauen können”. Chemiker erhalten heute von der Biologie Unterrichtsstunden, die uns zu einer neuen Mikrochipgeneration führen können.
    Soviel als Ankündigung. In dem Artikel, den ich hier weder zu zitieren noch ausführlich zusammenzufassen beabsichtige, wird dagegen zumindest der Grundsatz dargestellt, der offensichtlich mit der Einleitung zu meiner

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