Im Informationszeitalter
gibt es nämlich bis heute keinen kontinuierlichen Übergang zwischen diesen, und deswegen postulierten in der nahen Vergangenheit die Philosophen die Existenz irgendeiner vis vitalis , die Entelechie oder andere rätselhafte übermateriellen Seinsformen, die weder auf die Physik noch auf die Chemie reduzierbar sein sollen, wie die “embriogenetischen Strahlen” Gurwitchs, jene andere “Hälfte der Wachstumsorganisationen”, die, nahezu unsichtbar, den lebendigen Organismen und Geweben eine mit nichts vergleichbare Aktivität einhauchen kann.
Dieser Hiatus wird natürlich allmählich und langsam gefüllt werden, und sein extrapolierender Begleiter wird die “Philosophie der Zukunft” bilden. B. Gräfrath, ein deutscher Philosoph aus Essen, hat mir geholfen, diesen Begriff zu prägen. Er lehrt an der Universität Elemente irgendeiner “Lemologie” in Anlehnung an meine diskursiven Bücher, z.B. Golem XIV, und machte überzeugend deutlich, daß ich eigentlich keine “Futurologie”, wie sie vor mehr als zwanzig Jahren in Mode war, betreibe, da ich keine konkreten “Erfindungen” vorauszusehen versuche. Wenn das, was ich schrieb, nach einer “Prognose” aussah, dann nur in dem Sinn, in dem Bacon vor 400 Jahren die Überzeugung zum Ausdruck gebracht hatte, daß selbstfahrende Maschinen des Menschen in die Tiefen der Meere eintauchen, sich auf dem Land bewegen und die Luft beherrschen werden.
Diese “Philosophie der Zukunft” sollte beispielsweise epistemologisch ontologische Perspektiven und ethisch-moralische Beurteilungen solche Schöpfungen des Menschen erörtern, die es nicht gibt, zu denen aber die sogenannte unermüdliche “faustische Komponente” der menschlichen Natur schon bis zum Ende des 20. Jahrhunderts führen wird. Es handelt sich nämlich darum, daß unsere Erzeugnisse die Natur nachahmen, auch wenn sie oft anders als die Natur funktionieren (das Auto ist ja kein Plagiat eines Vierbeiner und ein Flugzeug kein Plagiat eines Adlers), und daß sie irgendwann, ausgehend von den natürlichen Phänomenen, die Natur, wie von einer Schleuder katapultiert, überholen werden. Dadurch wird sich die Zweischneidigkeit des menschlichen “Fortschritts” noch drastischer als heute offenbaren, der gleichzeitig auf der Vorderseite das GUTE und auf der Rückseite das uns und sich selbst bedrohende BÖSE ist. (Merkwürdigerweise erinnert dies an die
Worte der Heiligen Schrift über das “Verzehren der Früchte vom Baum der Erkenntnis”, wo der Satan sagt: eritis sicut Deus scientes bonum et malum …).
Die Projektionen meiner Phantasie schwebten bis dahin, als ob sie in der Schwerelosigkeit der Phantasmate eingeschlossen wären, in einzelnen Kapiteln meiner Bücher, wie beispielsweise der Summa Technologiae . Jetzt beginnen die ersten Stufen der Treppe aus dem Informationsnebel aufzutauchen, die zu diesen frech und vorzeitig ausgedachten Möglichkeiten führen, in denen sich sogar mehr Gefahren als Triumphe für unsere Spezies verbergen. Aber wenn wir bereits wissen, daß der “Fortschritt” autokatalytisch ist, daß die Technologie auch als Biotechnologie die “unabhängige Variable” der Zivilisationsgeschichte darstellt, dann werden alle Versuche, sie anzuhalten oder abzubremsen, zunichte gemacht.
In unserer Zeit, in der Zeit des Übergangs nach dem Fall des sowjetischen Imperiums, herrscht offensichtlich das Chaos, in dem manche Gefahr lauert. Es ist möglich, daß diese Zeit eine Verlangsamung der wissenschaftlichen Erkenntnis verursacht. Wir wissen ja, daß sie in der ehemaligen UdSSR fast zerstört wurde, und man kennt die Rufe des Entsetzens, die aus den wissenschaftlichen Kreisen in den USA zu uns kommen. Angesichts des Verschwindens des größten Gegners verlangen der Kongreß und Anhänger der “konservativen” Anschauung, den Etat des Bundes und die Etats der Bundesstaaten, die während des Wettrüstens im kalten Krieg die Grundforschung weitestgehend mitfinanziert haben, bedeutend zu kürzen. Das wäre ein Phänomen mit dem Nachgeschmack einer großen Bedrohung. Weder Japan noch manche der “asiatischen Tiger”, in denen weiterhin eine strenge Kalkulation herrscht, werden sich nicht für derartige Reduktionen im Bereich “R and D”, Research and Development, entscheiden, und dann kann es zu einer Verlagerung der wissenschaftlichen Zentren von einem Teil des Globus auf andere Kontinente kommen.
Die Wissenschaft verliert jedoch nicht, weil sie sich so oder so weiter entwickeln
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