Im Informationszeitalter
wird, und aus ihrer Geschichte haben wir bereits erfahren, daß der breiten Umsetzung von neuen Technologien, Energiequellen, Werkzeugen und Handlungsprogrammen immer ein Vorbereitungszeitraum, gerade in der Grundlagenforschung, vorangehen muß, der dann zu Ergebnissen führt, die man von vornherein weder genau projektieren noch hinsichtlich der für die Menschheit günstigeren oder fataleren Folgen vorhersehen kann. Die Arbeitslosigkeit als Folge der allseitigen Automatisierung könnte zur Plage des 21. Jahrhundert werden, und man muß sie jetzt schon in Betracht ziehen (Norbert Wiener schrieb über sie vor einem halben Jahrhundert in Human Use of Human Beings).
Die pseudobiologischen Moleküle, die sich bei einer Beschädigung selbst reparieren können und zur Vermehrung (Replikation) fähig sind, werden etwas mehr als das einfache Nachäffen separater organischer Funktionen oder ein Plagiat der Lebensphänomene sein. Sie sind Vorboten der Umwälzungen, vielleicht der Umwertung, die den Einfluß der Kernspaltung auf das menschliche Dasein erheblich übertreffen. Im übrigen wird kein Pathos beim Nachdenken über die “Philosophie der Zukunft” benötigt.
Ich könnte mich höchstens beklagen, daß meine Prognosen, teilweise in Kostüme gekleidet und in einem Szenario der Sience Fiction dargestellt, in Polen nicht verstanden, beurteilt und als wahrheitshaltig - im Sinne einer künftigen Wahrheit - anerkannt worden sind. Was der Spruch Nemo profeto in patria sua sagt, wurde nicht erst gestern gedacht und im Grunde genommen wiederholt er nur ein altes Stereotyp, für das es kein Heilmittel gibt. Ich mußte hier meine Texte aus dem Deutschen übersetzen!
Die Wissenschaft befindet sich momentan in Polen in einem fatalen Zustand und nichts läßt eine Therapie erahnen, die diesen Zustand eines Kollaps heilen könnte. Dies ist jedoch ein Thema für weitere Erörterungen: die politische Atmosphäre begünstigt zur Zeit unseren Rückschritt und echt gefährliche Ausbrüche einer sarmatischen Selbstsucht …
Um nicht mit einer pessimistischen Anmerkung abzuschließen, erlaube ich mir die letzten Worte zu zitieren, mit denen ich vor Jahren die Summa Technologiae abgeschlossen habe:
Aus zwanzig Aminosäuren-Buchstaben schuf die Natur eine Sprache “im Reinzustand”, die - durch geringfügige Umstellungen der Nukleotidensilben -Phagen, Bakterien, Tyrannosaurier, Termiten, Kolibris, Wälder und Völker zum Ausdruck bringt - sofern sie nur genügend Zeit zur Verfügung hat. Diese so völlig atheoretische Sprache antizipiert nicht nur die Verhältnisse auf dem Grund der Ozeane und auf den Höhen der Berge, sondern auch den Quantencharakter des Lichts, die Thermodynamik, die Elektrochemie, die Echolokation, die Hydrostatik und Gott weiß was noch alles, was wir bislang noch nicht wissen! Sie macht das lediglich “praktisch”, denn alles bewirkend, versteht sie nichts - doch wieviel wirksamer ist ihre Vernunftlosigkeit als all unsere Klugheit! … Wahrlich, es lohnt sich, eine Sprache zu lernen, die Philosophen hervorbringt, während die unsere nur Philosophien erzeugt.
1980 habe ich auf Einladung der Polnischen Akademie der Wissenschaften eine Prognose der Entwicklung der Biotechnologie bis zum Jahre 2060 geschrieben, die im Fluß der Geschichte versank, weil der Ausbruch unserer “Solidarnosc” dazwischenkam, wodurch sie nie veröffentlicht wurde. Ich schrieb in ihr über die Übernahme der “Sprache der Natur - der Sprache der Gene - von der Bioevolution” und darüber, wie ich das Stichwort “die Natur einholen und überholen” verstehe.
Das aber ist ein Thema für eine andere Abhandlung und zu einer anderen Gelegenheit …
Stanislaw Lem 10.04.1997
Ignorantik, Insperten und Labyronthologie
Die Zahl der vernetzten Computer und der im Netz befindlichen Information wächst in exponentieller Weise. Die Informationssuche wird immer wichtiger und gleichzeitig die Blockierung der Zugänge sowie Methoden der Filterung. Es kommt, wie Stanislaw Lem ausführt, zu informationellen Kurzschlüssen, es entsteht das neuartige Informationsböse und möglicherweise die Informationsdepression.
Informationskurzschluß
Erst neulich habe ich erfahren, daß Spezialisten des Pentagon vor mehr als 20 Jahren sich die Grundlagen des Internet als ein derart verzweigtes Netz ausgedacht haben, daß es kein “Zentrum” besitzt. Es ging damals um Bildung einer globalen Nachrichtenübermittlung, die durch den Gegner mit atomaren
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