Im Informationszeitalter
“Geist”, den ich gerade erwähnt habe, stellt eine vielleicht kritische Frage, nämlich danach, ob das Netz, wenn irgendein Super-Internet die Fähigkeit des VERSTEHENS der allumfassenden Information hätte, die Zugänge zu den gesuchten Nachrichten erleichtern würde. Jetzt versteht nämlich - wie gesagt - ein Computersynzytium gar nichts, auch wenn es eine Million Mal größer als das bisher entstandene sein sollte, genausowenig wie dies irgendeine Bibliothek vermag, die als Büchersammlung auch von sich selbst heraus nichts begreifen kann.
Wenn man jedoch diese Frage stellt, muß man sich bewußt werden, daß man dadurch nicht nur ein den Computern mit beliebiger Rechenleistung unzugängliches Gebiet betreten hat, nämlich das der Semantik, d.h. der BEDEUTUNG, die in ihre jeden Sinn präzisierende Bereiche der Designation, Denotation und Konnotation einführt, sondern auch, was gleich zum Drama wird, auch folgende Frage eröffnet: Gibt es “Informationsmüll”, den man aus den Netzen beliebiger Struktur ausfegen müßte, oder gibt es ihn nicht?
Die Antwort muß leider durch den Relativismus erschwert werden. Was für einen Benutzer Müll darstellt, ist für einen anderen eine in jeder Hinsicht nahrhafte und vielleicht unentbehrliche Information. Nehmen wir an, daß es sich um einen Wissenschaftler handelt, der sich mit der Sammlung von Daten über Fälschungen von wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt, die es heutzutage, wie man hinzufügen kann, in Hülle und Fülle gibt und über die tatsächlich bereits Bücher geschrieben werden (ich habe bei mir gerade drei solche Titel). Ist ein Handbuch, das ein Verzeichnis der Methoden enthält, mit denen man ins Netz “einbrechen” und eine “fremde” Information zum Nachteil von Dritten oder Institutionen nutzen kann, Müll? Noch anders: Kann der Gedanke über den Einsatz von “Zensoren” im Netz selbst überhaupt zulässig sein?
Das ist aber schon, um Gottes willen, die Frage nach dem Schnee von gestern. Es gibt doch seit langem funktionierende “Zensurfilter”. Sie werden bloß von niemandem “Zensoren” oder “Wächter” genannt. Die informatorisch bestohlenen Institutionen (und wahrscheinlich auch Personen) installieren nämlich sogenannte Firewalls, also quasi “Brandmauern”, welche die eingehende Information filtern, während sie die aus der lokalen Quelle herausgehende frei durchlassen. Das Netz enthält also bereits Keime der Zensur. Und was “den Müll” anbetrifft, so ist das, was für einen Menschen “ Rauschen” (informationsstörend) ist, für jemand Anderen, z.B. einen Informatiker, der noise level in einem Information übertragenden Kanal untersucht, schon lange gerade die von ihm gesuchte und gemessene Information. Mit einem Wort: Es werden immer mehr Weichen oder vielleicht irgendwelche Weichenverwalter erforderlich, die fähig sind, die Informationsflüsse nach dem übergeordnet zu feststellenden Inhalt an die richtige Adressen zu leiten, so daß ein sich mit der Anatomie beschäftigender Fachmann keine Pornobilder betrachten müßte und ein mathematischer Statistiker nicht dazu verurteilt wäre, aus seinem Computer die millionenfachen Ergebnisse von Zahlenfolgen auszumisten, die irgendwelche Lottoziehungen darstellen. Diese Art Weichen werden immer mehr in dem Maße erforderlich, wie das Netz selbst und ihre Benutzer wachsen werden.
Dämme in der Informationsflut
Ich muß zugeben, daß mich in den von mir gelesenen amerikanischen Veröffentlichungen, welche dem globalen Informationsnetz gewidmet sind, die Spontaneität der Entwicklung des Netzes, aber auch die Einstellung der Informatiker dazu überrascht hat. Vor allem scheinen es alle für eine selbstverständliche Evidenz zu halten, daß die englische Sprache die globale Sprache ist und das Problem der Zugänglichkeit von “virtuellen Bibliotheken” für (sagen wir) irgendwelche Japaner oder anderssprachige
Einwohner der Erde überhaupt nicht existiere (man weiß inzwischen gut, daß die Computerleistung für Übersetzungen aus einer in eine andere Sprache niedrig war und weiterhin bleibt). Darüber hinaus haben die Sorgen der Amerikaner einen sehr einseitigen, gewissermaßen augenblicklichen Charakter. Sie kümmern sich z.B. darum, daß Geschäfte über das Netz sehr einfach abzuschließen sind, es fehlt ihnen aber die Zahlungssicherheit. Man kann, einfach gesagt, auf diesen Wegen sehr leicht betrogen werden, und vor dem Mißbrauch können lediglich die
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