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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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zitieren wollte, sondern lediglich, weil die Fabel der “Rückkehr von den Sternen” zeigt, daß die “allgegenwärtige Elektrokratie” nicht von vornherein eine Orwellsche Tyrannei- oder Diktaturform sein muß. Sie kann mild, sie kann freundlich, sie könnte sogar unsichtbar sein -mit der Ausnahme von eschatologischen Situationen, in denen es sich gehören würde, zumindest für einen Augenblick als “elektronischer Schutzengel” zu erscheinen. Normalerweise aber würde niemand ihre Intervention merken. Und so ist aus dem Vorangegangenen zu schließen, daß wir uns nicht unbedingt zwischen den Extremen der von dem französischen Theoretiker genannten Alternative befinden. Wie es auch immer sein mag, so wird es jedenfalls anders sein, als er es sich vorgestellt hatte, weil wir uns zwischen dem Guten und dem Bösen in einer mehrdimensionalen Welt befinden, in der das
    Zufällige mit dem Unvermeidlichen völlig vermischt ist.
    Auf jeden Fall sollte man den erfahrenen Spezialisten, die bis über beide Ohren im Dickicht der Informatik stecken, mißtrauen. Man sollte sich eher bewußt machen, daß jeder der uns aus der Geschichte bekannten Anfänge einer neuen, radikal grenzenlosen Möglichkeit, einer vielversprechenden technologischen Innovation, gleichzeitig Hoffnungen erweckte, daß gerade ihr die Rolle eines Erneuerers, eines Erweckers und sogar eines Erlösers der Menschheit aufgrund der völligen Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse, also dank einer wunderbaren Vervollkommnung der so stark von sich selbst geplagten menschlichen Zivilisation, zufiele. Früher oder später werden die zu einseitig und zu heftig erweckten Begeisterungen und Erwartungen verblassen, Milliardengewinne werden sich verflüssigen, vielleicht auch der uns im bekannten Abschnitt der Geschichte so außerordentlich erfolgreiche Kapitalismus mit seinem Markt, mit dem Spiel von Angebot, der Schaffung von Waren und der Nachfrage. Er ist im Einspannen der Innovationen vor dem Kampfwagen der finanziellen und wirtschaftlichen Gewinne effizient und wird vielleicht auch diese nächste “Netz- und Informatikrevolution” überstehen und sogar einen großen Teil in die eigene Mühlen umlenken können.
    Die Ausrufung einer neuer Epoche, eines New Age, ist jedoch eine zu einseitige, monokausale Übertreibung. Mindestens drei Viertel, wenn nicht vier Fünftel der Menschheit wird fast vollständig außerhalb des Bereichs der “Vernetzung” bleiben, und der wachsende Abstand zwischen dieser verarmenden und verhungernden Mehrheit und der scheinbaren “Netzwelt” (Worldweb) wird seine Folgen zeigen. Und doch soll und kann eine solche Kluft nicht die Bewohner der Erde definitiv in zwei Teile aufspalten! Datenverarbeitung sollte nicht eine Monomanie der Unterhaltung und der Arbeit, der Wirklichkeit und der Träume werden.
    Wir dürfen nicht zulassen, daß sich alle menschlichen Angelegenheiten restlos den Informationsmächten unterwerfen, weil das auch entweder die Agonie oder das Ende der ständigen Umwandlung der Zivilisation mit ihren vielen Religionen, Traditionen und Kulturen bedeuten könnte. Träumereien der “digitalen Schwärmer” stellen weder das Ende der Geschichte noch den Anfang derart neuen Geschichte dar, daß alle Werte der nicht vernetzten Kulturen beim “Surfen” untergehen, alle Werte sich in den Providern verstecken müssen und jeder vom Server bedient werden soll. Man kann als Einzelperson die riesigen Mengen von Informationen, die Menschen bereits gesammelt haben, weder aufnehmen noch sie verdauen. Eher mit einer Dosis Skeptizismus, wenn auch nicht ohne eine Prise Vorsicht, sollte man die weitere Entwicklung dieses gerade auf die Welt gekommenen Wunderdings beobachten, das für unsere Großväter und Väter sicherlich das “Zeitalter der Herrschaft der Totalkommunikation” und des Netzes sein würde, das uns alle einfangen will.
    Probleme mit der Phantomatik
    Stanislaw Lem 01.06.1998
    Noch ist die Virtuelle Realität nicht wirklich immersiv.
    In letzter Zeit begannen zumindest die sensibleren amerikanische Journalisten mit Mißbehagen über eine neue Art von Werbespots zu schreiben, die in ihrem Fernsehen gezeigt werden. Man konnte z.B. Fred Astair sehen, der mit dem neuesten Staubsaugermodell tanzt, oder John Wayne, der es sich mit einer neuen Biersorte gemütlich macht. Das eine oder das andere ist insofern scheinbar merkwürdig, weil sie beide bereits tot sind und die Animateure im Auftrag der Reklame die

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