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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Toten auferstehen lassen. Der irritierte Russel Baker schrieb in International Herald Tribune, daß man jetzt auch die Feuerbrunst in Moskau aus dem Jahre 1812 erwarten könne, samt Napoleon Bonaparte, der behaupten würde, wenn man damals einen Feuerlöscher einer gewissen Firma eingesetzt hätte, dann wäre Moskau nicht in Flammen aufgegangen.
    Solche geschmacklosen Ansätze werden sicherlich ihre noch schockierendere Fortsetzung finden. Nichts verhindert, wenigstens in USA, daß beispielsweise eine Marylin Monroe in einem drastischsten Akt mit einem Gorilla gezeigt wird. Und dem steht auch nichts im Wege, weil die Regel “nullum crimen sine lege” gilt. Wenn also eine Handlung nicht unter das Strafgesetzbuch fällt, kann man sich voll ausleben. Bisher ist nämlich niemand auf die rechtliche Idee gekommen, das Auferwecken von gestorbenen
    Personen, egal ob sie ehrwürdig oder nicht sind, zu verbieten und bei einer Verwirklichung mit einer Strafe zu versehen.
    Diese geschmacklosen “Belebungen” von Toten für Werbezwecke seien hier nur einleitend angeführt, weil es mir nicht um die Animationen geht, die in letzter Zeit z.B. Filmemacher realisieren - wie bei den durch Computertricks verbesserten “STAR WARS” -, sondern um den eigentlich immer noch nicht erschlossenen Bereich voller und echter “virtueller Realität”, die nach meiner Terminologie PHANTOMATISIERUNG heißt. Wie ich bereits 1963 schrieb, geht es um den Anschluß aller Sinne eines Menschen an einen Computer, der ihn “phantomatisiert”, also ihn scheinbar in die fiktive Wirklichkeit eintaucht. Das kann ein unschuldiger Spaziergang auf der Akropolis, ein Einstieg in die Tiefen der Kraters des Ätna oder des Vesuv, eine Romanze mit Kleopatra, der Königin von Ägypten, oder ein Kampf mit der “Gottesgeißel” Attila sein. Man konnte bereits ziemlich bescheidene Ansätze einer solchen vollen Phantomatisierung verwirklichen, aber es zeigte sich schnell, daß es einige unterschiedliche Arten von Schwierigkeiten gibt, die man nicht ganz überwinden kann. Ich werde sie hier aufzählen und einigermaßen beschreiben.
    Probleme einer totalen Phantomisierung
    Über das trivialste Problem habe ich bereits geschrieben: Wenn ein Mensch in der phantomatischen Fiktion einer anderen Person begegnen soll, dann kann er sich mit ihr unterhalten, wenn es eine REALE (in seine Fiktion eingeschlossene) Person ist, und allgemeiner, wenn es sich um ein Treffen mit einem bewußten und sich vernünftig verhaltenden Partner handelt. Das Phantom einer Person kann sich dagegen nicht vernünftig präsentieren, weil kein Programmierer in der Welt imstande ist, die KÜNSTLICHE INTELLIGENZ in Gang zu bringen. Das hat eine ziemlich drastische Seite, denn man kann durchaus auch sexuelle Kontakte mit beliebigen fiktiv projizierten Menschen oder (wie ich am Anfang bemerkte) für intime oder sogar obszöne Zwecke “wiederbelebten” Personen realisieren, solange diese nur ständig SCHWEIGEN. Man kann die Kopulation programmieren, aber mit einem Gespräch geht das einfach nicht …
    Da die phantomatische Resurrektion jedoch programmiert werden muß, wie z.B. das Rennen von Dinosauriern im “Jurassic Park”, wird das Problem auf das Budget reduziert. Das Rennen der Dinosaurier kann kurz dauern, es bedarf jedoch einer wochenlangen Ameisenarbeit der Programmierer. Es ist also einfach auf KOSTEN zurückzuführen, und der Kern der Sache ist, ob sich die Bezahlung der Arbeiten für die Programmierung der Fiktion LOHNEN wird. Es ist selbstverständlich, daß STAR WARS (als sogenanntes “Remake”) wiederaufgeführt wurde, weil sich die Produzenten sicher waren, daß die Kasseneinnahmen der neuen Filme die Entwicklungskosten mit einem kolossalen Überschuß zurückerstatten werden. Vergessen wir nicht, daß jetzt über alles auf der Welt Gesetze des Angebots und der Nachfrage, also, direkt gesagt, die MARKTGESETZE herrschen. Wenn sich jedoch derjenige, der ein beliebiges phantomatisches Abenteuer erleben möchte, mit diesem Wunsch an Spezialisten wendet, wird man ihm ausrechnen, wieviel die Erfüllung seiner Träumerei kosten würde, und diese Kosten können sich für den Einzelnen als “Kunden” als hinderlich erweisen. Deswegen “gedeihen” gegenwärtig das
    INTERNET und alle anderen (lokalen und nicht lokalen) Netze, während es um das ganzheitliche “Eintauchen” in die Tiefe der phantomatisierten Vision still geworden ist: an ein Netz angeschlossen zu sein, ist halz

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