Im Informationszeitalter
Verarbeitung bemächtigen, oder räumlich verstreute Geräte, deren Plazenta Netze werden.
Aus dieser von Breton ausführlicher geleisteten rein technischen Beschreibung leitet er die “Kreuzwege” der zukünftigen Möglichkeiten ab, die nicht nur einen ideologischen und wirtschaftlichen, sondern sogar einen politischen Charakter haben, da sie - nach seiner Auffassung - auf eine erschütternd radikale Veränderung der ganzen menschlichen Welt zulaufen. Wenn ich seine Vision vorstelle, muß ich aber von vornherein betonen, daß keine der von ihm progostizierten Extreme meiner Ansicht nach wirklich werden wird. Das ist nicht nur deswegen so, weil die “Bewaffnung” oder eher die “technische Ausrüstung”, die zur Verwirklichung dieser oder jener extremen Alternative notwendig ist, kein allgemeines Gut aller die Erde bewohnenden Wesen (also einfach der Menschheit) sein kann. Der “Zivilisationszug”, wie ich ihn zu nennen pflege, wird nämlich entsprechend der Beschleunigung der technischen und kommunikativen Errungenschaften immer größer, und der Gedanke, daß die Chinesen, die Inder, die Beduinen und der Rest der Dritten Welt überhaupt wirklich imstande sein werden, in die (nach Breton) auseinandergehende Infoschere einzutreten, stellt eine Utopie (oder eine Dystopie, also eine Anti-Utopie) dar. Weder das Bretonsche extreme “Böse” noch das “Gute” kann auf Grund einer trivialen Ursache verwirklicht werden: etwa Dreiviertel der Menschheit werden es sich einfach nicht leisten können, auf diesem vorhergesehenen Informationskreuzweg zu stehen und einen der Wege, die sich gegenseitig auszuschließen scheinen, zu beschreiten.
Die Faszination an diesem Bretonschen “Kreuzweg” ergibt sich daraus, daß er selbst in den Tiefen der Netz-und Computerproblematik lebt und die beschleunigte Expansion des Internets und anderer Netze sieht, deren zunächst spontane “Selbstorganisation”, also Ausbreitung, jetzt aber durch das interessierte Kapital gesteuert wird. Er gerät in den seit langem bekannten Stil des verengten utopischen Denkens hinein. Und ähnlich wie diejenigen, die jeder der aufeinander folgenden Innovationsrevolutionen der Technik den Glauben schenkten und seit über einem Jahrhundert in der Dampf- oder Luftfahrt oder in der Astronautik die Zukunft der ganzen Erde sahen (wodurch sie in einer Gruppe von instrumentellen Handlungen die ganze Zukunft der Welt sahen), setzt er gewissermaßen “alle Hoffnungen und Befürchtungen” auf ein einziges Feld des futurologischen Weltroulettes. Diese Menschen irrten sich immer, da es einfach weder “ein einziges Feld” noch “einen einzigen Weg” für die ganze Menschheit gibt und geben kann. Dennoch lohnt es sich, über die vorhergesehene sozialpolitischen “Ideologisierung” der Informatikpotentiale zu sprechen.
Da haben wir einerseits eine Art ANARCHIE: eine totale Ausbreitung potentieller Verbindungen “aller mit allen” und in ihren “Innereien” die Ausbildung, die Ökonomie, das Gesundheitswesen mitsamt dem “Zusammenprall der Werte”, der den Charakter des von Samuel Huntington prognostizierten “Clash of Civilizations” annehmen könnte. Diese Gleichstellung “aller Gleichen” dank der Interkommunikation kann bis zur Liquidierung jeglicher Zentralmächte und Regierungen führen und eine Erosion der Mono- oder Oligopolen sowie eine “Verschmierung” der Konzentration der Staats- oder Wirtschaftsmächte mit sich bringen, so daß schließlich ein vollständig “vernetzter” und computerisierter Planet in Erscheinung tritt. Einzelpersonen sitzen in ihren “Knoten” wie in Kokons und leben gleichzeitig gemeinsam und getrennt, weil jeder die Anwesenheit eines jeden oder einer jeden überall erleben kann. Aus der Zusammenfassung einer solchen Entwicklungsversion ergibt sich ein Bild des Verschwindens der “realen Realität” als einem Gegensatz zur “virtuellen Realität”, wenn ersteres das Gleiche wie letzteres sein wird. Der Unterschied, um es so kurz wie möglich zu sagen, zwischen dem Realen und Virtuellen, dem Natürlichen und Künstlichen beginnt zu verschwinden - und das soll ein extremer Weg des Kreuzweges sein.
Während dieser Weg “superliberal” bis hin zum Anarchismus ist, scheint der entgegengesetzte Ausweg aus der entstandenen Alternative völlig anders zu sein. Statt zur Gleichstellung sollen wir, wieder kurz gesagt, zu einem hierachischen Zentralismus gelangen, statt einer Zerstreuung in einer globalen
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