Im Innern des Wals
gesellten sich zwei Landstreicher, Schotten, zu uns, die in einem Obstgarten in der Nähe Äpfel gestohlen hatten und mit denen wir uns lange unterhielten. Ihr Gespräch drehte sich in unappetitlicher Weise um sexuelle Dinge. Landstreicher sind widerlich, sobald sie auf dieses Thema kommen. Ihre Armut verbietet ihnen jeden Verkehr mit Frauen, und ihr Denken ist von obszönen Vorstellungen wie verseucht. Wenn es sich um eine natürliche Geilheit handelt, ist alles okay, aber Menschen, die sich ständig aufgeilen, ohne daß es zu etwas führt, wirken entsetzlich kaputt. Sie erinnern mich immer an Hunde, die zwei sich paarenden Hunden neidisch zusehen. Im Lauf der Unterhaltung erzählte Young Ginger, wie er und andere einen »Puppenjungen« oder »Nancy Boy« auf Trafalgar Square entdeckt hätten und sofort über ihn hergefallen wären und ihm alles abgenommen hätten, was er besaß, 12s. 6p. Offenbar fanden sie es völlig in Ordnung, den Jungen zu bestehlen, weil er ein »Nancy Boy« war.
Wir waren nur wenig vorwärts gekommen, hauptsächlich, weil Young Ginger und der Jude nicht gewohnt waren zu marschieren und überall haltmachten und nach etwas Eßbarem suchten. Einmal hob der Jude sogar zertretene Kartoffelstücke vom Boden auf und aß sie. Da es schon spät nachmittags war, beschlossen wir, Sevenoaks links liegen zu lassen und statt dessen nach Ide Hill zu marschieren, wo ein Obdachlosenasyl war, von dem die Schotten sagten, es wäre besser als sein Ruf. Etwa eine Meile davor hielten wir an, um Tee zu machen, und ich erinnere mich, daß ein Herr mit einem Wagen in der Nähe uns in freundlichster Weise half, Holz für unser Feuer zusammenzutragen, und jedem von uns eine Zigarette schenkte. Dann zogen wir weiter zu dem Asyl und pflückten auf dem Weg einen Strauß von blühendem Geißblatt, um ihn dem Vorsteher zu schenken und ihn damit gnädig zu stimmen, damit er uns am nächsten Morgen hinausließ, denn im allgemeinen dürfen Landstreicher am Sonntag das Haus nicht verlassen. Statt dessen erklärte er uns, daß wir bis Dienstagmorgen zu bleiben hätten. Es stellte sich heraus, daß der Vorsteher darauf hielt, jeden einen Tag arbeiten zu lassen und gleichzeitig nichts von Sonntagsarbeit wissen wollte. Auf diese Weise hätten wir den ganzen Sonntag müßig herumgesessen und statt dessen am Montag arbeiten müssen. Young Ginger und der Jude entschlossen sich, bis Dienstag zu bleiben, aber Ginger und ich gingen weiter und übernachteten in einer Anlage, dicht bei der Kirche. Es war tierisch kalt, aber etwas besser als die Nacht vorher, weil wir genug Holz fanden, um Feuer zu machen. Zum Abendessen bettelte Ginger beim Metzger, der uns fast zwei Pfund Wurst schenkte. Samstagabends sind Metzger immer sehr freigiebig.
30. August
Am nächsten Morgen entdeckte uns der Pfarrer auf seinem Gang zum Frühgottesdienst und wies uns fort, wenn auch nicht unfreundlich. Wir marschierten durch Sevenoaks nach Seal. Ein Mann, den wir unterwegs trafen, riet uns, auf der Farm von Mitchell, drei Meilen weiter, nach Arbeit zu fragen. Wir marschierten hin, aber der Farmer erklärte, daß er uns nicht einstellen könne, da er keine Unterkünfte für uns hätte. Die Beauftragten der Regierung schnüffelten überall herum, um zu sehen, ob auch alle Hopfenpflücker eine »ordentliche Unterkunft« hätten. (Diesen Beauftragten, die von der Labour-Regierung eingesetzt worden sind, gelang es übrigens, jedes Jahr ein paar hundert Arbeitslosen die Arbeit in den Hopfenfeldern unmöglich zu machen. Da sie über keine »ordentlichen Unterkünfte« für die Pflücker verfügten, mußten die Farmer mit den Ortsansässigen auskommen.) Wir stahlen bei Mitchell etwa ein Pfund Himbeeren und sprachen dann bei einem andern Farmer namens Kronk vor, von dem wir die gleiche Antwort bekamen. Bei ihm stahlen wir so ungefähr fünf bis zehn Pfund Kartoffeln. Im Begriff, nach Maidstone zu wandern, trafen wir eine alte Irin, die bei Mitchell Arbeit gefunden hatte, weil er glaubte, sie hätte eine Unterkunft in Seal, was nicht zutraf. (In Wirklichkeit schlief sie irgendwo in einem Werkzeugschuppen in einem Garten. Sie stahl sich gewöhnlich nach Einbruch der Dunkelheit hinein und vor Tagesanbruch wieder hinaus.) In einem Landhaus bekamen wir etwas heißes Wasser, und die Irin trank Tee mit uns und gab uns eine Menge von ihren Vorräten ab, die sie sich so zusammengebettelt hatte. Wir waren höchst erfreut darüber, denn wir hatten nur noch 2p. und nicht mehr viel
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