Im Innern des Wals
sich wieder dem Einbruch zu, kam sechsmal ins Gefängnis, aber nie für lange, da sie ihn immer nur bei kleineren Einbrüchen erwischten. Ein- oder zweimal gelang ihm ein größeres Ding, was ihm jedesmal über fünfhundert Pfund einbrachte. Zu mir als seinem Partner beim Hopfenpflücken war er vollkommen ehrlich. Aber für gewöhnlich stiehlt er alles, was nicht angebunden ist. Ich bezweifle, ob er auf die Dauer viel Erfolg als Einbrecher haben wird, weil er zu dämlich ist, um das Risiko richtig einzuschätzen. Es ist schade um ihn, denn er könnte auch anständig leben, auf ehrliche Art, wenn er wollte. Er hat eine ausgesprochene Begabung für den Straßenhandel und hat unzählige kleine Kommissionsgeschäfte getätigt, aber wenn er einen guten Tag erwischt, macht er sich gleich mit den Einnahmen davon. Dazu kommt ein unglaubliches Geschick, Gelegenheitsgeschäfte aufzuspüren. Er ist imstande, jeden Metzger zu überreden, ihm ein Pfund gutes Fleisch für 2p. zu verkaufen, aber im übrigen ist er in bezug auf Geld ein völliger Idiot, der nie auch nur einen halben Penny sparen wird. Er hat eine hübsche Stimme und singt Liedchen, wie »das kleine graue Haus im Westernstil«, und von seiner toten Frau und seiner Mutter spricht er in einem klebrig sentimentalen Ton. Er ist meiner Meinung nach der typische Schmalspurverbrecher.
Von den beiden andern war einer ein zwanzigjähriger Bursche namens Young Ginger, der ganz annehmbar zu sein schien. Er war Waise und ohne jede Erziehung aufgewachsen und hatte das letzte Jahr fast ausschließlich auf Trafalgar Square gelebt. Der andere war ein kleiner Jude aus Liverpool, achtzehn Jahre alt. Ich weiß nicht, ob mir jemals ein Mensch begegnet ist, der mich mehr angeekelt hat als dieser Junge. Er war freßgierig wie ein Schwein, durchwühlte unausgesetzt die Mülltonnen und hatte ein Gesicht, das mich an irgendein niedriges aasfressendes Tier erinnerte. Seine Art über Frauen zu sprechen und sein Gesichtsausdruck dabei waren von so ekelhafter Obszönität, daß mir fast übel wurde. Wir konnten ihn nie dazu bringen, mehr an sich zu waschen als die Nase und ein bißchen drum rum, und er erwähnte beiläufig, daß er mehrere Arten von Läusen an sich hatte. Auch er war Waise und fast seit seiner Kindheit »auf der Walze«.
Ich besaß jetzt etwa sechs Shilling, und bevor wir loszogen, kauften wir eine sogenannte Decke für 1s. 6p. und organisierten mehrere Blechdosen als »drums«. Die einzig zuverlässige Dose für diesen Zweck ist die Zwei-Pfund-Büchse für Schnupftabak, an die man nicht leicht herankommt. Außerdem hatten wir einen kleinen Vorrat von Brot, Margarine und Tee und mehrere Messer und Gabeln und dergleichen, alles zu verschiedenen Zeiten bei Woolworth gestohlen.
Wir nahmen die Twopence-Bahn bis Bromley und warteten dort an einer Schutthalde auf zwei andere, die mit uns kommen sollten, aber nicht erschienen. Es war schon dunkel, als wir das Warten aufgaben, und so konnten wir uns nicht mehr nach einem geeigneten Platz für die Nacht umsehen und mußten uns an der Ecke einer kleinen Parkanlage im hohen nassen Gras niederlassen. Die Kälte war bitter, wir vier teilten uns zwei dünne Decken, und es war nicht ratsam, Feuer zu machen, weil ringsum Häuser standen. Außerdem lagen wir an einem steilen Abhang, so daß man von Zeit zu Zeit Gefahr lief, im Graben zu landen. Ich fand es ziemlich beschämend, daß die andern, alle jünger als ich, unter diesen Umständen fest und ruhig schliefen, während ich die ganze Nacht wach lag. Um nicht entdeckt zu werden, mußten wir noch vor Tagesanbruch aufbrechen, und erst nach mehreren Stunden gelang es uns, heißes Wasser zu bekommen und zu frühstücken.
29. August
Nachdem wir ein oder zwei Meilen marschiert waren, kamen wir an einen Obstgarten, in dem die andern sofort Äpfel stahlen. Damit hatte ich bei unserm Abmarsch nicht gerechnet, aber ich sah ein, daß ich entweder mitmachen oder die andern verlassen mußte. So steckte ich mir meinen Anteil ein. Aber ich beteiligte mich am ersten Tag nicht an den Diebstählen, außer daß ich Schmiere stand. Wir schlugen so ungefähr die Richtung nach Sevenoaks ein, und bis Mittag hatten wir soviel Äpfel und Pflaumen gestohlen, daß auf jeden ein Dutzend kam, dazu noch fünfzehn Pfund Kartoffeln. Dazu gingen die andern in jeden Bäckerladen und in jede Teestube, um zu betteln, und wir bekamen auch eine Menge Brotreste und Fleisch. Als wir rasteten und Feuer für unser Essen machten,
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