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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Kaminfeuer. Er betätigte den Blasebalg, um es zu neuem Leben zu erwecken. Er füllte sein Glas zur Hälfte mit Whisky, setzte sich still hin und blickte ins Feuer. Dann versuchte er zu ergründen, ob der ausdrückliche Befehl des Alten, die Polizei nicht in Staatsangelegenheiten hineinzuziehen, ihn erleichterte oder enttäuschte. Dennoch wurde er das Gefühl nicht los, daß seine Arbeit beim Geheimdienst beendet war. Sie deformierte, zerstörte ihn und machte ihn mal zum Werwolf, mal zur Heulsuse, und das, was sein eigentliches Ich war, verschwand hinter Theaterrequisiten in der Direktoren und Gentlemenbranche.
    Dies war der richtige Moment. Denn jetzt war er mit dem Staat quitt; dessen Investition hatte sich amortisiert, und damit war der Preis für eine sehr teure Ausbildung bezahlt. Was freiwillig hätte sein sollen, nämlich die Möglichkeit, nach fünf Jahren in Kalifornien nach Hause zu kommen und nein danke zu sagen, ich glaube, ich habe mich anders entschieden, war ebenso freiwillig wie der Wunsch, in der Luft aus einem Flugzeug auszusteigen. So würde es auch den beiden anderen in Kalifornien eines Tages ergehen. In etwa eineinhalb Jahren würde man ihn durch zwei neue Operateure mit der gleichen Ausbildung ersetzen. Doch, dies war der richtige Moment, jetzt war es unwiderruflich zu Ende.
    »Du sollst dich morgen nach dem Lunch bei Samuel melden«, teilte ihm der Alte kurz mit, als er zurückkehrte und sich setzte. Er hatte eine neue Flasche Cidre in der Hand.
    »Ich habe mich gerade entschlossen, mich nie mehr zu melden, das heißt, auszusteigen. Ganz einfach aufzuhören«, entgegnete Carl ohne jede Übertreibung im Tonfall.
    »Das geht nicht«, seufzte der Alte. »Jedenfalls nicht jetzt.«
    »Ich bin gerade zu dem Schluß gekommen, daß der jetzige Moment absolut perfekt wäre. Wir sind quitt. Ihr habt euren Russen bekommen, und die Sache ist vorbei.«
    »Nein, das ist sie gerade nicht. Wir stehen erst am Anfang, Carl.«
    »Ich meinte vorbei, was mich betrifft.«
    »Das meine ich auch. Was dich betrifft, ist die Sache noch längst nicht vorbei.«
    Das hört sich nicht wie ein Befehl an, sondern vielmehr melancholisch und nachdenklich. Dabei schwang in der Stimme des Alten ein besorgniserregender Zug von absoluter Überzeugung mit, der Carl unsicher machte. Der Alte mußte sehr wohl erkannt haben, daß dies ein für Carl nahezu zwingender Entschluß war. Dennoch tat er ihn mit einer Handbewegung ab.
    »Was hat man in Stockholm gesagt?« fragte Carl, ohne seine wachsende Irritation zu verbergen.
    »Wie du weißt, werden solche Telefongespräche manchmal etwas diffus. Gennadij Alexandrowitsch hat jedoch seine Abmachung mit uns eingehalten und wird in einer Woche in die USA fliegen. Er wünscht übrigens, daß du ihn begleitest, damit es nicht wieder zu einer Flugzeugentführung kommt. Ich weiß nicht, ob das ein Scherz sein sollte.«
    »Ach was. Bringt ihn in einem Wagen zum nächsten Militärflugplatz und setzt ihn in eine NATO-Maschine. Dazu braucht ihr mich nicht mehr.«
    »Ja, so dürfte es ablaufen, und dazu brauchen wir dich tatsächlich nicht. Aber bevor er abreist, müssen manche seiner Angaben an Ort und Stelle geprüft werden.«
    »Ich befasse mich nicht mit Strategie-Analysen. Das können sie im Generalstab oder sonstwo tun. Raus mit der Sprache, wie komme ich ins Bild?«
    »Du bist doch Taucher. Es geht um Tauchen, gefährliches Tauchen, dazu unter absoluter Geheimhaltung.«
    Carl schwieg und wartete darauf, daß der Alte sich näher erklärte. Was er jedoch nicht tat.
    »Es muß doch noch andere Taucher geben«, machte Carl nach einiger Zeit einen neuen Anlauf. Der Alte antwortete zunächst nicht, sondern gluckste nur leise vor sich hin.
    »Du hast völlig freie Hand, darüber selbst zu entscheiden, wenn du morgen Samuel triffst«, lächelte er vorsichtig. Dann versank er erneut in Grübeleien. Er war überzeugt, daß Carl seinen Dienst fortsetzen würde, im Moment machte ihm das keinen Kummer. Ihn plagten weit größere Sorgen, und er brauchte in seiner Erinnerung an dreißig Jahre Nachrichtendienst nicht lange zu kramen, um zu dem Schluß zu kommen, daß dieser Fall das größte Unternehmen seiner Karriere werden würde. Und das gefährlichste.
    Er riß sich aus seinen Überlegungen. Da war etwas, was noch geklärt werden mußte, bevor sie schlafen gingen.
    »Du sollst Samuel einen Bericht mitbringen, der einige Details über diesen Amerikaner betrifft. Die Politiker geben keine Ruhe. Also

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