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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Arkansas. Aber letztlich ist es doch meine Schuld, das kann ich nicht leugnen.«
    »Wenn du mich fragst, solltest du es trotzdem leugnen. Wir können uns die Formulierung später bei deinem erklärenden Bericht überlegen. War das alles? Können wir uns jetzt wieder der Kaninchenjagd zuwenden?«
    Der Alte glaubte nicht einen Moment, daß es alles war. Er kannte Carl gut genug, um zu wissen, daß diese Geschichte mit dem Architekten für ewig in Carls Kopf bleiben und nagen würde, doch schien es hier um etwas weit Ernsteres zu gehen.
    »Nein, das war nicht alles«, erwiderte Carl, genau wie der Alte erwartet hatte. Carl holte tief Luft und schwieg eine Zeitlang, bevor alles aus ihm heraussprudelte.
    »Vor einiger Zeit habe ich eine vollkommen unschuldige Frau getötet, zu der ich eine private Beziehung hatte. Ich habe den Tatort aufgeräumt und sämtliche Beweise beseitigt, doch das ändert nichts an dem Tatbestand. Ich wollte Zeit zum Nachdenken gewinnen, und ich habe inzwischen nachgedacht. Was immer du sagen willst, komm mir nicht mit diesem Unterschied zwischen den Gesetzen Gottes und den Verordnungen der Menschen. Ich habe die Absicht, mich der Polizei zu stellen. Das wird natürlich zu meinem Abschied führen, wenn die Gerechtigkeit das Ihre dazu getan hat. Ich habe in letzter Zeit viel darüber nachgedacht.«
    Der Alte rauchte eine Zeitlang mit unbeweglichem Gesicht, während Carl auf sein Urteil wartete. Dann drückte der Alte seinen Zigarillo langsam aus und goß sich einen Whisky ein.
    »Nun«, sagte er schließlich. »Dann beginnt das Verhör. Wer und weshalb? Wie ist es dazu gekommen?«
    Carl erzählte konzentriert, aber mit leiser Stimme. Er blickte dabei unverwandt in das allmählich ausgehende Kaminfeuer. Es wurde dunkel im Raum.
    Er hatte Maria Szepelinska etwa ein Jahr lang gekannt. Sie hatten sich einige Male getroffen. Er hatte die Verbindung nicht gemeldet, obwohl sie polnischer Herkunft war, da er ihre Beziehung als Privatangelegenheit betrachtet und keinen Grund gehabt hatte zu befürchten, sie könnte eine Schwalbe oder so etwas sein. Aus seiner Sicht konnte von Liebe kaum die Rede sein, es war vielmehr so, daß… ja, daß es sexuell mit ihr viel besser geklappt hatte als mit anderen, nicht sehr zahlreichen losen Verbindungen, die er eingegangen war.
    Doch bei dieser besonderen Gelegenheit hatte er sich entschlossen, die Beziehung zu beenden, weil es so am ehrlichsten war, weil es nichts anderes bedeutete als… na ja, eine rein sexuelle Angelegenheit.
    Sie hatten gestritten. Er hatte sich abgewandt und aus dem Fenster geblickt, als sie plötzlich mit einem Messer auf ihn zugestürzt war. Er entdeckte das Messer in dem Moment, in dem er sich umdrehte. Was dann geschah, war ihm nicht mehr ganz klar, doch es mußten reine Reflexe gewesen sein, was angesichts der Situation leicht zu verstehen war. Er tat das, wozu er ausgebildet war. Sie war tot, bevor sie auf dem Fußboden zusammenbrach. Das Ganze ging so schnell und war doch unwiderruflich. Sie hatte ja keine Ahnung gehabt, was für ein Mensch er war. Sie hatte wohl geglaubt, er habe ausschließlich mit Computern und Immobilien zu tun. Sonst wäre sie wohl vorsichtiger gewesen. Schwer zu sagen, was sie vorhatte, aber Carl glaubte nicht, daß sie wirklich die Absicht gehabt hatte, ihn niederzustechen. Möglicherweise hatte sie ihn verletzen wollen. Oder wenigstens einen Schreck einjagen, aber nicht töten. Es gab keine Entschuldigung. Sie war weder eine Tschekistin noch eine Schwalbe. Das Ganze war ein völlig privates Mißgeschick. Ein Mord war es wohl kaum, aber Totschlag, und damit kriminell genug. Und irgendein dienstlicher Anlaß konnte nicht als Ausrede herhalten.
    Also habe er sich jetzt, schloß Carl, nach dem glücklichen Ende der Operation mit Gennadij Alexandrowitsch definitiv entschlossen, die Sache der Polizei zu melden. Der Alte blieb eine Weile stumm. Dann ging er plötzlich hinaus und kam mit seiner Dienstpistole und einer Schachtel Munition wieder.
    »Nimm die hier und dezimiere eine Zeitlang die Kaninchen, während ich einen unserer Juristen anrufe. Es kann etwas dauern, also hast du Zeit für drei oder vier. Dann gebe ich dir Bescheid«, sagte der Alte, reichte Carl die Pistole und drehte sich um. Der Alte wußte sehr genau um Carls Eigenheit, beim Schießen ruhig und konzentriert zu werden; eine eigentümliche Therapie, aber wirkungsvoll.
    Als Carl allein war, nahm er vorsichtig die Munitionsschachtel in die Hand und lud

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