Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
müssen wir ihnen einen Knochen hinwerfen«, sagte der Alte und holte einen großen Notizblock und einen Kugelschreiber.
    Dann skizzierte er schnell, wie der Bericht aussehen sollte.
    Carl habe mit Stephen Holmes die Plätze getauscht, weil er zufällig gehört habe, wie Mr. Holmes einen Raucherplatz verlangt habe. Da Carl selbst nicht rauche, sei ihm in dem Augenblick der Einfall gekommen. Carl habe nicht eine Sekunde eine Flugzeugentführung erwartet und sei auch nicht davon ausgegangen, daß man ihn in der Maschine habe ermorden wollen. Er habe auch nicht vermuten können, daß die Mörder - wenn sie ohnehin schon an Bord seien - größere Mühe haben könnten, ihn zu finden, wo immer er auch sitze. Und Waffen habe er bei sich gehabt, weil sie zu seinem Gepäck gehörten. Es seien Dienstwaffen gewesen. Er habe sich nämlich während des Fluges entschlossen, bei der Zwischenlandung in Lyon auszusteigen, und dafür sei es wichtig gewesen, kein offiziell abgefertigtes Gepäck nach Paris zu haben, da dies den Sicherheitsdienst der Fluggesellschaft alarmiert hätte; Gepäck, das einfach im Stich gelassen wird, löse immer Besorgnis aus.
    Daß Carl erst dann eingegriffen habe, als die Entführung eine Tatsache gewesen sei, liege daran, daß sie ihn total überrascht hätte. Der Rest des Berichts, so der Alte, stimme mit Carls früherem Bericht und den bekannten Tatsachen überein.
    Dieser neue Bericht sei in manchen Teilen wahr, in wesentlicheren Abschnitten jedoch unwahr. Wie die Dinge sich jetzt aber entwickelten, befinde er sich im Einklang mit schwerwiegenden Sicherheitsgründen oder mehr noch: Es entspreche dem Interesse der Nation.
    Carl wünschte dem Alten eine gute Nacht und ging hinauf in das Gästezimmer, das er schon kannte. Er machte kein Licht, schob jedoch noch ein gefülltes Magazin in seine Pistole, die er sicherte und auf den Nachttisch legte. Er schlief schnell ein.
    Kriminalinspektor Rune Jansson begann seinen Arbeitstag bei bester Laune. Er war sechs Kilometer gelaufen, bevor er mit dem Wagen zum Polizeihaus gefahren war. Die Schmerzen in der Wade waren verschwunden, und er hatte die vier Treppen zu Fuß genommen, statt mit dem Fahrstuhl zu fahren.
    Überdies lag in der Morgenpost ein Brief von der Reichspolizeiführung in Stockholm, und damit würde die Ermittlung einen Schritt weiterkommen.
    Als er jedoch das lächerliche Vernehmungsprotokoll gelesen hatte - Rune Jansson fragte sich, ob man dieses absurde Dokument überhaupt so nennen konnte -, verflog seine gute Laune schnell. Was er hier vor sich sah, war ohne Zweifel viel Lärm um nichts. Der Polizeidirektor hatte von der Reichspolizeiführung schriftlich verlangt, die Ermittlungsbeamten in Norrköping müßten über die Verhöre des militärischen Personals bei Hamilton Data System AB informiert werden. Und wie es schien, hatte die Polizeiführung in Stockholm schließlich die Säpo überfahren, und somit war die eigenartige Akte nach Norrköping geschickt worden.
    In wenigen Zeilen wurde mitgeteilt, fünf anonyme Offiziere hätten Maria Szepelinska weder gekannt noch besucht, und keiner von ihnen habe sich zu dem fraglichen Zeitpunkt in Norrköping aufgehalten. Einen der Offiziere, der als Korvettenkapitän NN-6 geführt wurde, habe man bedauerlicherweise noch nicht erreichen können.
    Aus Rücksicht auf die Sicherheit des Reiches habe man die Namen der vernommenen Offiziere gestrichen. Aufgrund besonderer Direktiven dürfe die Akte in keine künftige öffentliche Voruntersuchung Eingang finden, und überdies sei sie unter Hinweis auf Paragraph 4 des Gesetzes über Geheimhaltung, das die Sicherheit des Landes betreffende Dinge behandle, für geheim erklärt worden.
    Vermutlich lag es daran, daß Rune Jansson außer sich vor Wut war und zudem gerade die Akte gelesen hatte, daß er jetzt übereilt handelte. Vielleicht war es auch nur verdammtes Pech, daß dieser hartnäckige Journalist in diesem Moment anrufen mußte. Vielleicht aber hatten diese Journalisten auch so etwas wie einen sechsten Sinn, wenn es um unangenehme Dinge ging.
    Wie auch immer: Rune Jansson erzählte Arne Lenström vom Östgöta-Correspondenten zuviel - zu allem Überfluß einem Blatt, das weit rechts stand. Doch Rune Jansson überkam es wie ein unwiderstehlicher Zwang. Möglicherweise hatte ihm im Hinterkopf die Vorstellung vorgeschwebt, die Presse könne manches ein wenig beschleunigen. Jedenfalls war es jetzt zu spät, sich zu korrigieren. Gesagt war gesagt. Jetzt blieb

Weitere Kostenlose Bücher