Im Interesse der Nation
sollten wir nicht ohne Not Kapital daraus schlagen.«
»Das scheint mir eine reichlich optimistische Schlußfolgerung zu sein«, warf der Oberbefehlshaber so beherrscht ein, wie er vermochte; in ihm kochte es. »Denn in rein operativer Hinsicht sieht die Wahrheit ja so aus, daß die Sowjetunion im Moment eine tödliche Bedrohung gegen uns alle richtet, nicht nur gegen uns hier im Raum, sondern gegen die ganze Nation. Es ist folglich eine Bedrohung, der wir mit wirksamen Gegenmaßnahmen begegnen müssen, ob auf diplomatischem Weg oder sonstwie. Daß wir die Oberhand haben, kann man wahrlich nicht behaupten.«
»Nein, wenn man die Lage nach rein militärischen Stärkebegriffen einschätzt, natürlich nicht«, beharrte Peter Sorman ungerührt. »Denn wenn es um militärisches Zerstörungspotential geht, fehlt es der Sowjetunion gewiß nicht an Alternativen zu diesen Spionagestationen. Auf kurze und längere Sicht gilt für uns, keinen Streit vom Zaun zu brechen, um es mal einfach auszudrücken, damit uns die Sowjets nicht für eine militärische Bedrohung oder kräftemäßig zumindest für ein Irritationsmoment halten, falls es zu einer größeren und im Moment höchst unwahrscheinlichen Konfrontation in Europa kommt. Ich habe geglaubt, das sei ein ziemlich elementarer Grundsatz unserer Sicherheitspolitik.«
An dieser Stelle griff der Ministerpräsident ein, der seit ein paar Minuten unruhig dagesessen und gespürt hatte, daß die Situation ihm zu entgleiten begann. Streit, Ironie und unverschämte Anspielungen waren das letzte, worauf er sich jetzt einlassen wollte.
Wenn es Möglichkeiten gebe, warf er ein, sich diskrete Waffeneinsätze vorzustellen, sei es durchaus in Ordnung, wenn das Militär auch weiterhin eine solche Möglichkeit studiere, obwohl bewaffnete Aktionen ohne ausdrückliche Genehmigung der Regierung natürlich nicht in Frage kämen.
Mit diesem Bescheid schien der Ministerpräsident den Militärs zumindest eine Beschäftigung gegeben zu haben, die mit ihrem Bedürfnis nach vorwärtsgerichteter praktischer Tätigkeit in Einklang stand.
So gewinne man auch Zeit, fuhr der Regierungschef fort, und diese Zeit solle dazu verwendet werden, geeignete Formen eines diplomatischen Vorstoßes vorzubereiten. Während weitere Zeit verstreiche, sei es natürlich wünschenswert, möglichst viele Informationen zu sammeln, auch solche, die den dritten Standort beträfen, sowie alles andere, was in Verbindung mit einem möglichen Überraschungsangriff gegen Schweden zu planen sei.
Als die beiden Offiziere einwandten, die USA wüßten mit großer Wahrscheinlichkeit schon von Vizeadmiral Koskows Wunsch, weiterzureisen - seine Familie befinde sich ja schon in den USA; schon aus dem Grund müßten die entsprechenden amerikanischen Behörden sich vorstellen können, wo sich Koskow aufhalte, wie er nach Schweden gekommen sei und was er und seine Familie sich wünschten -, erwiderte der Regierungschef, dies seien diplomatische und politische Fragen und keine militärischen, und die Regierung wünsche auf diesen Gebieten keinerlei militärische Gastspiele zu erleben.
Doch alles, wozu sich Koskow an weiteren Enthüllungen überreden lasse -, ohne daß man ihn mit Vertretern der NATO zusammenbringe -, wäre natürlich von hohem, vorrangigem Interesse.
Damit meinte der Ministerpräsident den Militärs bis auf weiteres eine Beschäftigungstherapie verordnet zu haben, wie er seinem nicht ganz zufriedenen außenpolitischen Mitarbeiter mitteilte, sobald sie wieder allein waren.
Aber während das Militär damit beschäftigt sei, seine Aufgaben zu erfüllen, gelte es, konkrete und ziemlich schnelle politische und diplomatische Initiativen zu ergreifen, um vollendete Tatsachen zu schaffen. Andere, zumindest elegantere Möglichkeiten, zu verhindern, daß die Militärs den Finger am Abzug hätten, schienen nicht zu Gebote zu stehen.
Peter Sorman pflichtete ihm bei. Es gehe darum, schnell eine neue Situation zu schaffen, damit die Frage von »bewaffneten Aktionen« und all dem anderen Gewäsch keine konkrete Möglichkeit mehr darstelle. In dieser Hinsicht sei es nur gut, daß die Militärs bis auf weiteres ein kleines technisches Gewaltproblem zu lösen hätten.
Bei der Fahrt zum Generalstab saßen der Oberbefehlshaber und der Generalstabschef schweigend im Wagen, und die Grübeleien der beiden Männer zielten etwa in die gleiche Richtung.
Die Anweisungen der Regierung waren in wesentlichen Teilen widersprüchlich. Einerseits
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