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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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und noch abenteuerlicher. Dann bestand nämlich die große Gefahr, daß die Russen von Anfang an überreagierten.
    Die Vorstellung der Militärs, die Russen würden eine bewaffnete Aktion hinnehmen, solange man sie nur geheimhielt, war vermutlich richtig - zumindest insofern, als ein bewaffneter Gegenschlag nicht in Frage kommen würde und die Russen vor neuen Bauvorhaben auf schwedischem Territorium vermutlich zurückschrecken würden. Nach militärischen Begriffen zumindest wäre das kurzfristig ein Gewinn.
    Doch hier galt es, strategisch zu argumentieren. Schweden sollte nicht nur in den nächsten zehn Jahren eine bewaffnete Konfrontation mit der Supermacht erspart bleiben. Wenn Schweden überleben wollte, mußte es diese Möglichkeit für immer und ewig ausschließen. Das war es, was die Militärs nicht begriffen. Sie klammerten sich zu sehr an ihre Vorstellungen vom alleinseligmachenden Abschreckungseffekt der Gewalt fest. Während sie gleichzeitig darüber klagten, ihnen stünden zur Zeit viel zu wenige Waffensysteme zur Verfügung, um bis ins nächste Jahrtausend hinein schwedische Zweiter-Weltkrieg-Politik zu betreiben.
    Was also jetzt bevorstand, war folgendes: Man mußte den Oberbefehlshaber in den Schwitzkasten nehmen und sehen, wieviel Prügel er vertrug. Und dann mußte die Diskussion von vorn beginnen.
    Doch der Oberbefehlshaber erschien nicht allein, obwohl man ihn allein herbeordert hatte. In seiner Begleitung befand sich der Generalstabschef.
    Als die beiden Offiziere den Raum betraten, überlegte der Ministerpräsident, ob er den Generalstabschef kurzerhand vor die Tür setzen sollte. Dem lag natürlich der Wunsch zugrunde, wegen eventueller künftiger Verwicklungen ohne Zeugen zu diskutieren.
    Doch das wäre ein psychologisch unglücklicher Beginn des Gesprächs gewesen, und so begnügte sich der Ministerpräsident mit einigen sauren Grimassen und der kurz gemurmelten Bemerkung, soweit er sich erinnere, habe er den Oberbefehlshaber persönlich zum Vortrag geladen und niemanden sonst. Soweit er sich erinnern könne, wie gesagt.
    Doch als die beiden Militärs sich setzten, von dem Tadel wegen mangelnder Disziplin sichtlich unberührt, beschloß er, sofort zum Angriff überzugehen.
    »Um gleich zur Sache zu kommen: Wir haben eine Handlungslinie entwickelt«, begann er entschieden. »Wir haben beschlossen, daß bewaffnete Aktionen bis auf weiteres ausgeschlossen sind und daß es darauf ankommt, in sehr kurzer Zeit diplomatische Initiativen zu ergreifen. Dabei werden wir selbstverständlich verlangen, daß diese Einrichtungen zurückgezogen werden. Dabei haben wir zunächst nicht vor, die Sache öffentlich zu machen, und dies im Hinblick auf die Gefahr, daß die Russen eine Prestigeangelegenheit daraus machen könnten, aus der sie sich dann nicht mehr ohne Not zurückziehen können.«
    Der Regierungschef hielt kurz inne, um zu beurteilen, welche Wirkung diese Nachricht hatte. Die beiden Offiziere sahen jedoch kaum besorgter aus, als er erwartet hatte.
    Der Oberbefehlshaber, der jetzt den Eindruck hatte, als läge der Ball wieder auf der militärischen Spielhälfte, räusperte sich nervös, bevor er sich äußerte.
    »Es erscheint uns wenig wahrscheinlich, daß sich die Russen ohne weiteres darauf einlassen. Unter anderem erhebt sich die Frage, wie wir uns zu den militärischen Operationen stellen sollen, wenn die sowjetische Seite oder Einheiten des Warschauer Pakts sich auf unser Territorium begeben, um die Forderung nach Rückzug der Stationen zu erfüllen. Unsere Beurteilung sieht so aus: Sie werden ihre Anlagen nicht zurückziehen, sondern höchstens ihr Personal herausholen, wenn wir zeigen, daß uns die Anlagen bekannt sind.«
    Wie bei einem Pawlowschen Hund, dachte Peter Sorman. Sie kommen immer mit technischen Einwänden, statt klar zu sagen, was sie eigentlich meinen.
    »Ich bin überzeugt, daß sich die transporttechnischen Probleme schon einvernehmlich regeln lassen, wenn wir eine politische Einigung erzielt haben«, sagte er mit hörbar säuerlichem Unterton. »Ich möchte übrigens darauf hinweisen, daß der Inhalt dieses Gesprächs ein wenig sensibel ist. Es muß also nicht nur jetzt geheim bleiben, sondern selbst dann noch, wenn es ans Memoiren-Schreiben geht.«
    »Danke für den Hinweis«, entgegnete der Oberbefehlshaber mit einer Aggressivität, die seinen bislang stummen Sekundanten erstaunte, »aber was Geheimhaltung betrifft, ist dies stündlich und täglich Bestandteil unserer

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