Im Interesse der Nation
bestand darin, den Russen klarzumachen, daß Schweden tatsächlich neutral war, daß es kein inoffizieller NATO-Verbündeter war, wie die politische Rechte sowie ein großer Teil der militärischen Führung glaubte oder hoffte. Denn wenn die sowjetische Führung Schweden als NATO-Verbündeten betrachtete, nahm das Risiko zu, daß Schweden in einen eventuellen, nun ja, höchst eventuellen europäischen Großkrieg hineingezogen würde. Mit Säbelrasseln waren die Russen nicht zu erschrecken; vermutlich funktionierte das eher umgekehrt.
Wenn die Sowjetunion andererseits Schwedens Neutralität respektierte und an sie glaubte, zumindest an sie glaubte, verringerte sich die Kriegsgefahr entsprechend.
Diese Argumentation war auch auf die mehr oder weniger wilden Kriegsszenarien der großen Aktivisten unter den Verteidigungstheoretikern anwendbar. Ob nun ein isolierter Angriff gegen Schweden allein (um eine Verteidigung Norwegens unmöglich zu machen, was die Stellung der NATO im Atlantik schwächen würde) oder ein Überraschungsangriff in gleichermaßen heimtückischer Absicht - die Argumentation blieb die gleiche: Es war für Schweden lebenswichtig, mit politischen Instrumenten Tauben wie Falken in der militärischen Führung zu beherrschen, ebenso aber auch eine zunehmend großmäulige politische Rechte, die immer lauter krakeelte, wir müssen uns der NATO anschließen, weil es uns nicht gelingt, die russischen U-Boote ans Tageslicht zu holen.
Und hier nun lag eine Situation vor, in der sich diese gesamte Argumentation zuspitzte. Schweden hatte einen für die Sowjetunion offenbar sehr wichtigen Überläufer auf schwedischem Territorium. Das Entzücken der Militärs war nicht schwer zu verstehen.
Doch die Wahl bestand darin, den Überläufer in die USA entkommen zu lassen, was das russische Bild von Schweden als einem geheimen Alliierten der NATO verstärken würde. Oder aber den Überläufer an die Sowjets auszuliefern - rein formal hatte man ihm noch kein politisches Asyl bewilligt. Man konnte es als eine Art vorläufige Einreisegenehmigung in Erwartung einer Prüfung des Falls ansehen; nun ja.
Eine Auslieferung Koskows an die sowjetischen Behörden würde rein sachlich natürlich große Vorteile bieten. Ein solches Verhalten würde mit der sogenannten Palme-Linie gegenüber der Sowjetunion in Einklang stehen; zudem wäre es eine Geste, die Schwedens Unabhängigkeit von den USA bestätigen würde, folglich auch die schwedische Neutralität. Menschlich jedoch wäre es eine ziemlich zweifelhafte Maßnahme.
Überdies wäre sie mit offenkundigen innenpolitischen Problemen verbunden. Denn wenn diese Affäre bekannt wurde, würden solche Maßnahmen sich kaum rechtfertigen lassen. Und was sachlich gesehen kluge Neutralitätspolitik war, würde sich als Kriecherei vor einer Supermacht darstellen lassen, als Kniefall vor den Russen, und so weiter, bis in alle Ewigkeit.
In dieser Hinsicht stellte die Frage der Loyalität des Militärs unleugbar ein Problem dar. Wenn allzu vielen Militärs aufging, was da geschah, bestand die Gefahr einer Revolte. Die Militärs würden etwas durchsickern lassen. Dann wäre die Angelegenheit in der Presse, und die Militärs könnten sich dann absichtlich verplappern oder Grimassen schneiden, wenn sie wegen weiterer Kommentare an die Regierung verwiesen. Der Parteichef der Konservativen würde mit ziemlicher Sicherheit informiert werden, und damit wäre das Karussell in Gang.
Der Versuch, im Auswärtigen Ausschuß eine Einigung herbeizuführen, bedeutete, da waren sich alle vier einig, das gleiche, als würde man Expressen alles auf einem silbernen Tablett servieren. Alle früheren Erfahrungen sprachen da eine deutliche Sprache.
Eine Möglichkeit war, den Chef der Konservativen unter vier Augen ins Gebet zu nehmen und zu prüfen, ob er sich für das prinzipiell Richtige dieser unmenschlichen Maßnahme gewinnen ließ.
Während sie im Vorzimmer des Ministerpräsidenten warteten, las Peter Sorman ruhig das letzte Memorandum des Oberbefehlshabers zum zweitenmal durch.
Ihn machte es ebenso besorgt wie den Regierungschef, daß man sich bislang nur in einer Frage hatte einigen können: Nämlich bewaffnete Aktionen auszuschließen. Und die Möglichkeit, sich mit den Russen auf ein diplomatisches Spiel einzulassen - sich also langsam vorzutasten, um womöglich in letzter Sekunde den Vorschlag eines Tauschhandels in die Debatte zu werfen, Vizeadmiral gegen Rückzug der Basen -, erschien unsicher
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