Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
der Sicherheitsabteilung der Reichspolizeiführung in Stockholm, die allen Anwesenden mit Ausnahme des Angeklagten bekannt seien, zum andern stellten auch die Einlassungen des Angeklagten einen Beweis dar.
    Damit verstummte der Staatsanwalt plötzlich. Der Generalmajor und Vorsitzende wandte sich zu Carl und fragte mit neutralem Gesichtsausdruck, der weder freundlich noch unfreundlich wirkte, wie der Angeklagte sich zu den Anschuldigungen stelle.
    Carl blickte im Raum mal den einen, mal den ändern an, ohne daß ihm ein Wort über die Lippen kam. An seiner Stelle antwortete sein Anwalt, der Reserveoffizier der Marine.
    »Wir bestreiten die Anklage, Herr Vorsitzender. Der Tatbestand ist zwar erfüllt, doch es fehlt an Rechtswidrigkeit und Schuld. Im ersten Fall lag Notwehr vor, überdies fehlte es am Vorsatz. Und im zweiten Fall fehlte jeder Vorsatz. Und lassen Sie mich anmerken, daß sich eine Anklage nicht allein auf nebulose Schuldvorwürfe gründen läßt.«
    Carl begriff nichts. Die Richter machten sich mit ausdruckslosen Gesichtern Notizen. Anschließend überließ der Generalmajor und Vorsitzende dem Staatsanwalt das Wort, der den Fall aus seiner Sicht vortrug.
    So verging fast eine Stunde, eine unendliche lange Zeit für Carl, in der ihn abwechselnd sein totales Unverständnis und seine alptraumhaften Erinnerungen quälten. Mit pedantischer Sorgfalt begann der Staatsanwalt, die medizinischen Konsequenzen einer einzigen Sekunde in jener Nacht in Norrköping aufzuzählen.
    Das Publikum in dem improvisierten Gerichtssaal bestand aus zwei Personen, dem Alten und Samuel Ulfsson.
    Soweit Carl sich zu konzentrieren und der Argumentation des Staatsanwalts zu folgen vermochte, hörte sich das meiste vollkommen richtig an. Der Umstand, daß Teile des militärischen Personals eine Sonderausbildung durchlaufen hätten, um im Dienst mit Gewalt gegen Feinde des Reiches vorzugehen, könne keinesfalls dazu berechtigen, diese Fähigkeiten auch gegen unschuldige Zivilpersonen einzusetzen. Ein einfacher Vergleich: Falls ein paar Fallschirmjäger auf Urlaub sich etwa in den Kopf setzten, sich auf eigene Faust ein paar sogenannte Skinheads vorzunehmen, könne die nachfolgende Anklage wegen schwerer Körperverletzung natürlich nicht dadurch gemildert werden, daß die betreffenden Soldaten sich besonders gut auf ihr gewalttätiges militärisches Handwerk verstünden. Ganz im Gegenteil: Gerade Militärs mit einer Sonderausbildung trügen eine besonders schwere Verantwortung. Folglich sei eine andere Anklage als die wegen Totschlags schwer vorstellbar. Allein der mangelnde Vorsatz und das Fehlen niederer Beweggründe stünden einer Anklage wegen Mordes entgegen.
    Was schließlich den zivilen Fluggast und amerikanischen Staatsbürger Stephen Holmes angehe, habe der Angeklagte den Tod dieses Mannes zumindest billigend in Kauf genommen, so daß die Staatsanwaltschaft sich erst nach langem Zögern dazu habe durchringen können, statt auf Totschlag auf fahrlässige Tötung zu plädieren. Das sei jedoch nicht von großer Bedeutung, da der zweite Anklagepunkt als Folge in den ersten Anklagepunkt aufgenommen werden könne.
    Wie schlau der Plan auch erscheinen möge, fremde Terroristen die falsche Person ermorden zu lassen, um sich so selbst größeren Handlungsspielraum zu verschaffen, was Hamilton auf bekannte Weise und so effektiv getan habe, so sei es völlig unannehmbar, das Leben unbeteiligter Zivilpersonen durch taktische Schachzüge zu gefährden. In dem Moment, im dem Hamilton klar gewesen sein müsse, was der Platztausch mit Stephen Holmes bedeute, habe er einen klaren Vorsatz an den Tag gelegt und dadurch besagten Holmes bewußt einer Lebensgefahr ausgesetzt. Und tatsächlich sei der Tod des Amerikaners ja auch eingetreten. In Carls Kopf summte es, doch er fühlte sich fast bereit zu gestehen. Für ein Geständnis war es jedoch noch nicht die Zeit. Denn als der Staatsanwalt seine Darlegungen beendet hatte, begann eine Vernehmung Carls.
    Zunächst stellte der Staatsanwalt die Frage, auf welche Weise Carl Maria Szepelinska getötet habe.
    Carl schluckte nervös, bevor er leise mit einer Gegenfrage antwortete.
    »Meinen Sie in rein technischer Hinsicht, Herr Staatsanwalt?«
    »Ja, das auch. Beschreiben Sie die Situation.«
    Carl hatte große Mühe, darauf die richtige Antwort zu finden. Er wußte nicht, welche Aussage jetzt falsch oder richtig sein würde. Er wollte ehrlich sein, wußte aber auch, daß alles, was er sagte, auf höchst

Weitere Kostenlose Bücher