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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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blickte zu einem der Kronleuchter an der Decke hoch, »hätte der Umstand, daß Sie Ihr Leben aufs Spiel setzen, für Sie ein Grund sein können, mit Holmes die Plätze zu tauschen?«
    »Nein, ganz und gar nicht. Das wäre so etwas wie ein Dienstvergehen gewesen, und es gehört zu meinem Dienst, Risiken einzugehen. Nein, niemals! Ich gebe allerdings zu, daß es meine Schuld war.«
    »Darauf kommt es im Moment nicht an«, lächelte der Anwalt. »Danke, Herr Vorsitzender, keine weiteren Fragen«, schloß er.
    Jetzt erhielt der Staatsanwalt das Wort, der seine Ansichten in einem Plädoyer zusammenfaßte. Zu Carls Bestürzung begann er damit, die Anklage nach Punkt 2, der Stephen Holmes betraf, zurückzuziehen, weil es offensichtlich an Rechtswidrigkeit und Schuld fehle.
    Dann hielt er in einem langen, geschickten Plädoyer, dem Carl in fast allen Punkten zustimmen zu können meinte, daran fest, daß im Fall Maria Szepelinska Totschlag vorliege und keine Körperverletzung mit Todesfolge.
    Dann hielt der Reserveoffizier sein Plädoyer.
    Er begann mit einer langen Darlegung, die Carl ebenso peinlich wie irrelevant vorkam, und in der es hieß, jetzt habe man so etwas wie einen Nationalhelden auf der Anklagebank, einen Mann, dem die Nation Unmenschliches abverlange, und so weiter.
    Dann wandte er sich der Schuldfrage zu. Jede Form rechtswidrigen, schuldhaften Handelns, erklärte er, setze irgendeine Form von gedanklicher Tätigkeit voraus oder intellektuelle Berechnung. Beides liege in diesem Fall nicht vor. Es gebe keinerlei Anlaß, an Hamiltons an und für sich verblüffender Angabe zu zweifeln, daß jeder Mensch in der Lage von Maria Szepelinska im Verlauf einer halben Sekunde getötet worden wäre. Mit der Ausbildung Hamiltons hätten die Streitkräfte gerade die Absicht verfolgt, genau diese gespenstische Kompetenz zu erreichen.
    Folglich könne bei Carl nicht von rechtswidrigem und schuldhaftem Handeln gesprochen werden. Daß Hamilton Maria Szepelinska vor bestimmten Fähigkeiten und Verhaltensweisen nicht gewarnt habe, könne man ihm nicht anlasten, so daß die Anklage auch in diesem Punkt fehlgehe. Der Anwalt schien damit ausdrücken zu wollen, daß niemand Maria Szepelinska getötet hatte. Sie hatte sich praktisch selbst den Hals durchgeschnitten.
    Als der Anwalt seine Suada endlich beendet hatte, glaubte Carl, jetzt endlich ein Geständnis ablegen zu können. Doch statt dessen wurde die Verhandlung unterbrochen. Das Gericht zog sich zur Beratung zurück. Der Staatsanwalt packte seine Akten zusammen und übergab sie Samuel Ulfsson, der sie in eine Aktentasche steckte, die er dann verschloß.
    Dann ging der Staatsanwalt zu Carl hinüber und gab ihm die Hand.
    »Ich habe den tiefsten Respekt vor Ihnen, Korvettenkapitän«, sagte er und fuhr nach kurzem Zögern fort, »und ich hoffe, daß Sie mich nicht mißverstanden haben. Ich habe nur meine Arbeit getan. So sind wir Staatsanwälte nun mal. Wir müssen alles außer Betracht lassen, was mit der Sache nichts zu tun hat, und nur auf Dinge achten, die juristisch relevant sind.«
    »Ja?« sagte Carl fragend. Er fühlte sich matt und ganz wirr im Kopf.
    »Wie das Gericht auch entscheidet, ich habe nur mein Bestes getan, um meiner Aufgabe gerecht zu werden. Ich hoffe also, Sie können das akzeptieren, Korvettenkapitän Hamilton«, sagte der Staatsanwalt und drückte Carls Hand erneut zum Abschied. Dann ging er zur Tür. Er ging ein wenig gebeugt wie ein alter Mann. Er war grauhaarig und trug einen dunklen Nadelstreifenanzug mit altmodisch breiten Revers.
    Samuel Ulfsson und der Alte gingen mit Carl in einen der kleineren Räume, in dem man inzwischen Kaffee und Kuchen aufgetischt hatte. Carl hatte keinen Hunger, goß sich aber schwarzen Kaffee ein, nachdem er zunächst seinem Vorgesetzten eingeschenkt hatte.
    »Wie geht es da draußen?« fragte Samuel Ulfsson mit besorgten Stirnfalten, während er nach seinen Ultima Blend tastete. Im »Gerichtssaal« hatte er sich das Rauchen mit Mühe verkniffen.
    »Gut«, erwiderte Carl leise. »Soweit wir es beurteilen können, haben wir alle technischen Probleme gelöst, und sämtliche Ziele sind erkundet. Ich meine von der Oberfläche aus. Dabei müssen wir allerdings voraussetzen, daß sie den gleichen Charakter haben wie die Anlage, die ich selbst untersucht habe.«
    »Ich glaube, davon kannst du ausgehen«, erwiderte der Kapitän zur See und atmete genußvoll den ersten Rauch ein. »Ihr werdet also morgen nachmittag Alarmzustand Rot

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