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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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sich dort hätten unterhalten können, ohne zu schreien. Beide waren überzeugt, daß irgendeine Form von Entscheidung näherrückte. Doch was Carl erwartete, hätte er sich nicht einmal in den schlimmsten Alpträumen vorstellen können.
    In einer konspirativen Wohnung des Nachrichtendienstes im Stadtteil Östermalm erwartete ihn eine Gesellschaft, die fast ausschließlich aus unbekannten Männern in Uniform bestand. Nur der Alte, ein weiterer Mann, der vermutlich eine Art Schutzwache war, sowie ein älterer Mann waren zivil gekleidet.
    Der Alte nahm Carl im Empfang und führte ihn in einen kleinen Raum, wo er sofort und fast brutal direkt zu Sache kam.
    »Ein solches Manöver haben wir bisher nur zweimal unternommen«, begann er, bevor sie sich überhaupt gesetzt hatten. »Die da draußen sind Juristen. Sie gehören fast sämtlich der Kriegsorganisation an. Sie kennen die Akten in deiner Sache und sind also bestens informiert, zugleich aber durch ihre Schweigepflicht gebunden. Du kennst ja das Formular. Keiner von ihnen kennt dich persönlich, so daß von Befangenheit keine Rede sein kann. Jetzt gelten also die Verordnungen der Menschen und nicht die Gesetze Gottes. So wolltest du es doch haben, oder?«
    Der Alte betrachtete seinen nunmehr nicht mehr ganz unerfahrenen, aber trotzdem vollkommen überrumpelten jungen Rekruten fast zärtlich oder zumindest väterlich.
    »Soll ich vor eine Art Kriegsgericht gestellt werden?« flüsterte Carl matt.
    »Es ist ein Gericht, ja. Es hat allerdings keine formale Machtbefugnis, obwohl es schwedische Gesetze anwenden wird. Wie geht es draußen auf der Insel?«
    »Wir können frühestens morgen nachmittag Alarmbereitschaft Rot melden. Aber zu was soll ich verurteilt werden, ich meine, wofür soll ich verurteilt werden?«
    »Du wolltest doch, daß die Anklagepunkte gegen dich vor Gericht geprüft werden. Das tun wir jetzt. Entweder wirst du freigesprochen oder aber zu einer Strafe verurteilt, die wir irgendwie vollstrecken werden. Doch das ist eine spätere Frage. Ich möchte diese Angelegenheit ein für allemal aus der Welt haben. Wir haben so etwas schon früher getan, vergiß das nicht.«
    »Und wie ist es damals ausgegangen? Ich meine, für die Angeklagten?«
    »Du fragst nach geheimen Informationen, auf die du keinen Anspruch hast, junger Mann. Also - die Verordnungen der Menschen statt der Gesetze Gottes. Bist du bereit?«
    Es war dunkel im Raum. Die Augenbrauen des Alten ragten wie gewohnt in die Höhe und verliehen ihm in dem schwachen Lichtschein, besonders jetzt, da er eine Brille trug, mehr denn je das Aussehen eines Uhus.
    »Ja«, erwiderte Carl diszipliniert, als ginge es um die Vollstreckung eines Todesurteils an einem jungen adligen Offizier des 18. Jahrhunderts.
    »Ich bin bereit. Komm, laß uns reingehen.«
    In dem größten Zimmer der Wohnung hatte man einen länglichen Eßzimmertisch aufgestellt, an dem drei Richter Platz genommen hatten, zwei in Generalsuniform, einer in der Uniform eines Obersten.
    An einem kleineren Tisch vor den Richtern saß der ältere Mann in Zivilkleidung. Carl glaubte sich schwach zu erinnern, daß er ein pensionierter Staatsanwalt war, der früher für Spionagefälle zuständig gewesen war. Dem Staatsanwalt gegenüber stand ein weiterer Tisch, an dem offenbar Carl Platz nehmen sollte. Dort saß schon ein Mann in der Kapitänsuniform der Marine, der dem Alter und dem Aussehen nach zu schließen Reserveoffizier sein mußte.
    Carl verbeugte sich unsicher. Der Gruß wurde von jedem einzelnen mit einem gemessenen Kopfnicken erwidert. Als Carl sich setzte, schlug der General, der am Richtertisch in der Mitte saß, mit seinem Hammer auf den Tisch und erklärte die Verhandlung für eröffnet. Einwände gegen die Eröffnung des Verfahrens seien nicht ersichtlich - er warf Carl einen fragenden Blick zu, doch dieser schüttelte stumm den Kopf. Das Urteil werde aufgrund der Aktenlage und der Aussagen des Angeklagten gefällt. Dann erteilte er mit einer eleganten Geste dem Staatsanwalt das Wort.
    Dieser blätterte eine Weile in seinen Papieren und teilte dann mit, die Anklage bestehe aus zwei Teilen. Erstens gehe es im Fall Maria Szepelinska um Totschlag oder schwere Körperverletzung mit Todesfolge, zum ändern um fahrlässige Tötung, nämlich im Fall des amerikanischen Staatsbürgers und Flugpassagiers Stephen Holmes. Die Beweise bestünden einmal aus den vorliegenden Akten, genauer den polizeilichen Ermittlungen in Norrköping sowie denen bei

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