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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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nicht an, sondern fuhr direkt durch den Ort zu dem unauffälligen Kontrollzaun auf der anderen Seite. Er erkannte keinen der Wachtposten wieder, doch sie warfen nur einen kurzen Blick auf seinen Ausweis, bevor sie ihn durchwinkten. Auf der schmaler werdenden Straße kannte er jede Kurve.
    Nachdem er das Haupttor passiert hatte, parkte er den Wagen, betrat das Torhaus und meldete sich beim wachhabenden Offizier. Seine Ankunft war erst für den nächsten Morgen angekündigt, aber das machte nichts. Er glaubte, den Wachhabenden wiederzuerkennen, konnte ihn aber nicht unterbringen.
    Skip Harrier, Oberstleutnant Skip Harrier, den sie nur Skip genannt hatten, hatte den Stützpunkt vor einer Stunde verlassen. Folglich war er nicht nach L. A. gefahren. Vermutlich hatte er am nächsten Morgen Dienst, und so hielt er sich ohne Zweifel in seinem kleinen Schuppen am anderen Rand des Städtchens auf.
    Der Wachhabende, der Carl ständig mit einer Betonung »Sir« nannte, die darauf hindeutete, daß Carls neuer Dienstgrad in den Papieren festgehalten war, erbot sich sofort, Skip anzurufen, aber dieser nahm nicht ab.
    »Also schön«, sagte Carl, »ich glaube, ich fahre mal bei ihm vorbei. Wir haben uns ein paar Jahre nicht gesehen. Und wenn er nicht zu Hause ist, dürfte er wohl bei McKenna’s zu finden sein. Oder hat sich in der Stadt was geändert?«
    »Nein, Sir!« erwiderte der junge Hauptmann mit dem Bürstenhaarschnitt. »Sie haben ihn aber aus der Stadt gejagt. Es wurde behauptet, das Rowdytum habe Überhand genommen, falls Sie verstehen, was ich meine. Das neue McKenna’s liegt aber in Richtung L. A. fünf Meter vor der Stadtgrenze. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend, Sir.«
    Carl fuhr zunächst zu Skips kleiner Hütte. Das Licht brannte, doch es schien niemand zu Hause zu sein. Auf der roten Erde vor der Hütte lagen achtlos verstreut Dutzende leerer Bierdosen. Die Dämmerung war schon recht fortgeschritten, und über der Bergkette im Osten waren die ersten Sterne der Nacht zu sehen. Skips Hütte lag fast völlig isoliert, und die anderen vier bis fünf Häuschen, die ein paar hundert Meter weiter lagen, waren dunkel und wirkten verlassen. Auf dem Parkplatz, auf dem Carl gehalten hatte, bemerkte er drei Wagen, als er das letzte Stück zu Fuß ging. Seine Schritte waren in der weichen roten Erde nicht zu hören, was natürlich weniger gut war. Skip war ein Mann, den man im Dunkeln nicht überraschen durfte. Es gab da eine Geschichte von einem jüngeren Kurskameraden, der es einmal getan hatte.
    Carl blieb fünf Meter von der Tür entfernt in Moskitonetzen stehen, die sich in der Abendbrise leicht bewegten.
    »Hallo, Skip! Charlie bittet um Erlaubnis einzutreten!« flüsterte er, erhielt aber keine Antwort.
    Er ging zur Tür und schob sie vorsichtig auf. Ganz hinten in der Hütte saß Skip vor einem tragbaren kleinen Fernsehgerät, dessen Ton leise gestellt war. Es hatte den Anschein, als schliefe er. Auf dem Tisch vor ihm standen ein paar Bierdosen, daneben lag Skips alte Pistole des Kalibers .45; das war eins von den vielen Dingen, aus denen Carl bei Skip nie schlau geworden war, die Tatsache, daß er aus fast sentimentalen Gründen an seiner alten Dienstwaffe festhielt.
    Carl zögerte. Es war nicht gut, sich Skip von hinten zu nähern, selbst wenn er schlief. Carl überlegte, ob er mit ein paar schnellen Schritten zum Tisch laufen und die Pistole an sich reißen sollte, bevor er Skip weckte. Aber er brauchte die Situation nicht besonders lange zu durchdenken, um einzusehen, daß dies etwa genauso dumm wäre wie der Versuch, sich unbemerkt an einen Dobermann heranzuschleichen, um einen Fleischknochen zu stehlen.
    »Guten Morgen, Oberst! Korvettenkapitän Hamilton meldet sich zur Stelle!« rief Carl so laut er vermochte.
    »Ach so, du bist es, Charlie. Hab mich gerade gefragt, was das für ein Idiot ist, der sich da anschleicht. Nie darf man seinen Spaß haben.«
    Skip grinste über das ganze Gesicht, als er sich umdrehte. Er schien hellwach zu sein, nur mäßig betrunken und hellwach zugleich. Er trug eines seiner alten T-Shirts aus Vietnam. Carl glaubte in dem verwaschenen Text das Wort Pleiku erkennen zu können.
    »Hast du mich da draußen nicht gehört? Ich hab doch geflüstert? Du lieber Himmel, Skip, um ein Haar hätte ich mich angeschlichen, um deine alte 45er an mich zu nehmen, bevor ich dich weckte.«
    »Dann wärst du gestorben, mein Junge. Es war also sehr gut, darauf zu verzichten.«
    »Ja, oder du

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