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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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hatte Anwältin werden wollen. Es war gerade dieses tiefe Engagement für eine wichtige Aufgabe, das eine der stärksten Seiten ihrer Persönlichkeit gewesen war, einer der wichtigen Gründe dafür, daß sie zu der einzigen Frau geworden war, die er geliebt hatte (auf schwedisch machte ihn das Wort verlegen, aber jetzt, wo er auf englisch dachte, ging es besser), die er so geliebt hatte, daß er deswegen um ein Haar alles andere aufgegeben hätte.
    Doch jetzt hatte er ihr immerhin gesagt, wie es um ihn stand. Hatte ihr die Gründe genannt, weshalb er mehrere Jahre lang den Eindruck erweckt hatte, als wäre er ihr untreu, und daß er immer noch… ja, daß er sie noch immer liebte.
    Sie war nicht glücklich verheiratet, hatte aber ein Kind mit diesem Schwein.
    Er strich dieses Wort sofort und wiederholte: Sie hatte also ein Kind mit diesem Mann.
    Es wäre dumm, sie zu Hause noch einmal erreichen zu wollen.
    Aber in Schweden würde sie als amerikanische Anwältin auch nichts anderes sein können als eine Hausfrau, isoliert sowohl durch seinen Beruf als auch durch seinen begrenzten Bekanntenkreis.
    Wenn er in den USA einen Job bei irgendeiner EDV-Firma annahm, brauchte er nicht sonderlich viel Geld zu verdienen, vorausgesetzt, er würde sein Vermögen in die USA mitnehmen können. Wenn man emigrierte, war es gesetzlich möglich.
    Allerdings würde die militärische Führung in Schweden leicht verhindern können, daß er in den USA ein Einwanderungsvisum erhielt.
    Er hatte sie eben zu kurz gesprochen, um ergründen zu können, was sie eigentlich fühlte, und es war undenkbar, aus dem Anflug von Tränen Schlußfolgerungen ziehen zu wollen; mochte die Beobachtung auch richtig gewesen sein, konnte eine Menge verschiedenster Gründe dahinterstecken.
    Sie besuchte wohl von Zeit zu Zeit ihren Vater. Er konnte dort einen Brief hinterlegen, aber dann war sie am Zug. Also endlich ein konkreter Entschluß.
    Er schaltete das Autoradio ein, den ersten besten Sender mit Werbe und Wettergeplapper und Rockmusik, und versuchte sich dann eine Weile auf seinen eigentlichen Auftrag in Kalifornien zu konzentrieren.
    Das waren die beiden neuen Operateure, Unterfeldwebel der Küstenwachschule, Marinetaucher, die jetzt im dritten Jahr zwischen San Diego und Ridgecrest oben in der Mojave-Wüste pendelten. Als man Carl losgeschickt hatte, ergaben sich mehrere Schwierigkeiten, die man unterschätzt hatte, unter anderem das hohe Studientempo. Es war nicht ungewöhnlich, daß ausländische Gaststudenten am Third College sich in San Diego Jobs suchten, um ihr Studium zu finanzieren, immerhin gab es in jedem Jahr dreimal längere Ferien. Doch war es eine Sache, von Zeit zu Zeit in einer Bar als Tellerwäscher zu arbeiten, und etwas völlig anderes, das Training in der Sunset Farm zu schaffen, das in bestimmten Momenten die Neigung hatte, den Studenten körperlich total zu erschöpfen. Das Ganze war so, als wollte man sich gleichzeitig auf zwei Examina vorbereiten und dabei körperlich so hart trainieren wie ein Spitzensportler. Wer das Studientempo an einer amerikanischen Universität nicht hält, fliegt unerbittlich raus, und möglicherweise würde nicht einmal sanfter Druck der US Navy oder des State Department helfen - was außerdem ebenso merkwürdig wie indiskret gewesen wäre. Zudem ging es darum, sich um jeden Preis vor Gerüchten zu schützen. Ein einziger Zeitungsartikel darüber, wie schwedische Spezialstudenten auf der Sunset Farm gedrillt würden, und alles wäre verloren. Und jemand oder manche würden alle Hände voll damit zu tun haben zu erklären, wie Personal aus dem neutralen Schweden an Informationen und einer Ausbildung teilhaben konnte, die man nicht einmal den NATO-Verbündeten der USA zugestand.
    Carl hatte sich oft gefragt, was das Ganze kostete. Nicht in Geld, denn im Rahmen eines Militärhaushalts spielten die Kosten keine große Rolle. Doch was es in Form von Gegenleistungen kosten würde oder schon gekostet hatte, war die entscheidende Frage. So sind etwa die beiden schwedischen Spezialmaschinen zur Überwachung des sowjetischen Funkverkehrs, die beiden alten Caravelles, mit amerikanischer Elektronik ausgestattet. Sie patrouillieren jeden Tag im Ostseeraum und schnappen im militärischen Funkverkehr der Sowjets jede Woche etwas Interessantes oder Ungewöhnliches auf. Der Preis für die amerikanische Elektronik ist sehr konkret: Die USA erhalten sämtliche wichtigen Informationen mit einer Verzögerung von höchstens

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