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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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amerikanischen Filmindustrie übereinstimmten.
    Das einzig Neue war der Toast auf General Giap, den sie noch zweimal wiederholten. Der Rest waren Blutegel und dampfender Dschungel und das Geräusch, wenn eine Kehle durchschnitten wird, ein Geräusch, das Skip wohl bei mehr als hundert Gelegenheiten aus nächster Nähe gehört hatte, Carl jedoch nur zweimal. Aber eines dieser beiden Male quälte ihn unendlich mehr, als es hundert ermordete Russen getan hätten.
    Inzwischen war das Lokal mehr als halbvoll. Die Gäste waren meist Zivilangestellte in karierten Hemden, die an den wackeligen Holztischen soffen. Der Lärmpegel der Countrymusik war unablässig gestiegen.
    Es gelang den beiden, eine Schlägerei zu vermeiden, obwohl Skip zwei der karierten Hemden mit der Äußerung provozierte, wie man sich so eine gottverdammte mutterfickende Schwulenmusik anhören könne, was mindestens eine Spur schlimmer war, als Niggermusik zu sagen.
    Es war jedoch nicht nur ihr Verdienst, daß sie trotz der Provokationen nicht in eine Schlägerei verwickelt wurden. In Ridgecrest liefen nämlich seltsame Gerüchte um, was die Tätigkeit der US Navy hinter dem Stacheldrahtzaun betraf. Eines wußte man in dem Dorf jedenfalls ganz sicher: Daß es ratsam war, sich auf keinen Fall mit diesen Typen einzulassen, was immer geschah. So schwankten die beiden schließlich grölend und eng umschlungen in die laue kalifornische Nacht hinaus. Sie pinkelten, torkelten in den roten Sand und betrachteten den ungewöhnlich klaren Sternenhimmel.
    In Schweden war es schon Morgen und damit Bürozeit.
    Kriminalinspektor Rune Jansson fühlte sich hundeelend. Erstens hatte er pochende Schmerzen in einem Wadenmuskel. Er hatte mit einem halbvergessenen Silvesterschwur ernst gemacht und war am Sonntagnachmittag sieben Kilometer im Schneematsch gejoggt. Er hatte dafür fast eine Dreiviertelstunde gebraucht, was natürlich viel zu viel war. Er konnte nicht beurteilen, ob es eine Zerrung, eine Überanstrengung oder schlimmstenfalls der Beginn einer Muskelentzündung war, aber weh tat es.
    Zweitens hatte der Generalstaatsanwalt, der die Ermittlungen übernommen hatte, die frühe Morgenkonferenz mit eiserner Faust geleitet. Zwei oder dreimal hatte der Generalstaatsanwalt die Rolle des Anklägers bei der Voruntersuchung betont, und gesagt, Voruntersuchungen würden vom Staatsanwalt und nicht von irgendeiner »Fahndungsleitung« geleitet. Keiner der anwesenden Polizeibeamten hatte auch nur eine Miene verzogen, aber Rune Jansson hatte die Vibrationen des Widerwillens im Raum deutlich gespürt. Die Botschaft des Staatsanwalts war klar: Einen Ermittlungs-Zirkus wie im Mordfall Palme sollte es nicht geben.
    Außerdem war Rune Jansson eine Art Chef der »Fahndungsleitung«, da die Kollegen aus Stockholm keinen Kommissar in ihren Reihen hatten. Rune Jansson war also Chef, weil er der Dienstälteste war und überdies die lokale Polizei vertrat. Aber selbst beim besten Willen ließe sich nicht sagen, daß die Stockholmer Beamten dieser Funktion übertriebenen Respekt erwiesen. Hingegen legten sie etwas anderes an den Tag, eine irritierende Heiterkeit über Janssons Norrköpinger Dialekt. Sie hatten sogar begonnen, ihn nachzuäffen.
    Zu allem Überfluß schienen es mühselige Ermittlungen zu werden. Nur fünf Prozent aller schwedischen Mordfälle bleiben unaufgeklärt, doch so, wie es bislang aussah, bestand die greifbare Gefahr, daß man auch in diesem Fall irgendwann würde aufgeben müssen.
    Rune Jansson war in seinem Dienstzimmer gewesen, wo er telefonisch versucht hatte, so etwas wie polizeiliche Autorität über eine Kindergärtnerin auszuüben, da seine Frau ihn während der Konferenz angerufen und damit beauftragt hatte. Beider Tochter war erkältet, und es war ein glatter Verstoß gegen die Vorschriften des Kindertagesheims »Eichhörnchen«, allzu verschnupfte Kinder abzuliefern. Rune Jansson hatte unnachgiebig darauf beharrt, daß die Tochter nicht stärker verschnupft sei, als es die Regeln zuließen, dann einfach aufgelegt und der Telefonzentrale gegenüber erklärt, er befinde sich in einer Sitzung. So mußte sich seine Frau mit dem Kinderheim auseinandersetzen. Denn sie war an der Reihe, das Kind nach Dienstschluß abzuholen.
    »Alle mal herhören«, sagte Rune Jansson, als er in das »Hurenzimmer« humpelte, wie es einer der Mordfahnder aus Stockholm in Anspielung auf ein Zimmer getauft hatte, das im Mordfall Olof Palme eine bestimmte Rolle gespielt hatte, »wir

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