Im Interesse der Nation
noch das Feingefühl besaß, selbst verwundet zu werden und ohne jede Verantwortung mit meiner ersten gottverdammten Medaille auf dem Verband aufzuwachen. Lungenschuß.«
»Okay, ich gebe auf. Das ist nicht gerade die Geschichte, die ich schon hundertmal gehört habe.«
»Nein, auch darauf kannst du einen lassen. Wie auch immer. Deshalb habe ich Buße getan, denn ich glaubte wirklich, Gott müsse mich strafen oder sowas.«
»Und dann hast du dich als Vorposten gemeldet?«
»Ja, ich bat um einen Einsatz als Vorposten. Zur Strafe. Dann habe ich einfach hundert Gooks den Hals durchgeschnitten und war der Meinung, wenn Gott mich hätte strafen wollen, hätte ich mich irgendwie geopfert. Aber er hat mich nicht gestraft, o nein, er gab mir noch mehr Medaillen, das ist ja die Scheiße.«
»Bist du noch einmal auf das 23. Regiment gestoßen?«
»Ja, einmal. Ein einziges Mal. Sie waren bei der Einnahme Saigons als erste da. Sie kamen so glatt durch, daß sie sich in der Zeit verschätzten und schneller siegten, als sie es sich vorgestellt hatten. Dann blieben sie einfach vor der Stadt stehen, um den Fall Saigons auf den 1. Mai fallen zu lassen. Sie hätten die Stadt schon zwei Tage früher einnehmen und uns die Hosen runterziehen können. Uns paar Männern, die noch da waren. Aber irgend so ein Politiker hat ihnen wohl befohlen, bis zum 1. Mai zu warten. Gut für uns.«
»Was hast du da getan?«
»Du meinst in Saigon?«
»Hm.«
»Hab die amerikanische Botschaft bewacht. Ich sortierte die Gooks in anerkannte und nicht anerkannte Gooks, die entweder berechtigt oder nicht berechtigt waren, mit Hubschraubern zu den Flugzeugträgern gebracht zu werden. Das war mein letzter heldenmütiger Kampfauftrag. Sogar dafür habe ich eine Medaille bekommen.«
»Das haben die Männer im 23. Regiment auch gekriegt. Weißt du, was ich an dem Tag gemacht habe?«
»Wahrscheinlich gevögelt und Shit geraucht.«
»Nix da. Ich habe auf den Straßen Stockholms demonstriert. Das war unsere beste Demo, und wir waren überglücklich.«
»Wollen wir vor die Tür gehen und uns schlagen?«
»Nein danke. Das wäre vielleicht ein Anblick.«
»Macht euch wegen der Formen keine Sorgen, Euer gräfliche Gnaden. Willst du eine Abreibung haben?«
»Nein, Sir.«
Carl bemühte sich, einen klaren Kopf zu bekommen. Er war schon betrunken. Der Pegelstand in der Whiskyflasche war bedenklich gefallen.
Skip Harrier besaß eine Fähigkeit, die Carl sich nicht zutraute. Skip fiel es nicht schwer, sich wie ein Bauernlümmel in eine alte ehrliche Prügelei zu stürzen. Das war etwa so, als würde sich die erste Geige eines Symphonieorchesters am Samstag umziehen, um in irgendein Kellerloch zu gehen und ohne jede Verlegenheit als Baßgitarrist in einer Punkband zu spielen. Skip liebte es, sich so zu prügeln, und hatte im alten McKenna’s fast jede Gelegenheit dazu ergriffen, die sich ihm bot.
Was das betraf, zweifelte Carl an seinen eigenen Fähigkeiten. Er hatte immer befolgt, was ihm eingeschärft worden war, sich nie à la John Wayne zu prügeln.
Und eine richtige Schlägerei wäre für beide lebensgefährlich. Carl leckte sich die Lippen und dachte nach. Er versuchte sich einzureden, daß die Betrunkenheit ihn dumm machte. Doch jetzt war er immerhin Amerikaner. Ein Amerikaner läuft nicht weg. Wenn er sich doch dafür entschied, einfach wegzulaufen - er war vermutlich bedeutend schneller als Skip -, würde das jede weitere Zusammenarbeit unmöglich machen. In Skips Ausdrucksweise würde alles total in die Hose gehen.
»Nein, Skip«, sagte Carl nach einer quälend langen Pause langsam und deutlich, »ich will mich nie mit dir schlagen. Ich kann mich nicht prügeln wie ein John Wayne.«
Skip Harrier, Oberstleutnant der US Marines mit mehr als fünfhundert Kampfaufträgen als Vorposten, sah Carl eine Zeitlang mit glasigen Augen und ausdruckslosem Gesicht an. Dann leuchtete sein Gesicht plötzlich auf.
»Weißt du was, Carl? Ich mag dich. Ich mag dich wirklich. Du hast Mut, und du hast Grundsätze. Außerdem würdest du mich wohl krankenhausreif schlagen. Trotzdem hast du dich verändert, Carl, da ist etwas an dir, was ich nicht wiedererkenne.«
»Ich bin älter geworden und habe eine Narbe im Gesicht.«
»Ach was, versuch’s nicht so. Da ist etwas, etwas Besonderes.«
»Gottes gutes altes Gewissen?«
»Ja, etwas in der Richtung. Gehst du in die Kirche?«
»Sei nicht albern. Du weißt genau, daß ich das nicht tue.«
»Aber die Menschen ändern
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