Im Interesse der Nation
wollen mal sehen, ob wir alles zusammenfassen können, was wir wissen. Ich meine, jetzt, wo der Leiter der Voruntersuchung uns nicht hört.« Diese Bemerkung kam bei den versammelten Kollegen einigermaßen an. Rune Jansson sank mit einer nur mühsam verborgenen Grimasse des Schmerzes auf seinen Stuhl.
»Erstens«, fuhr er fort, »hat keiner der Nachbarn etwas gehört, und inzwischen haben wir sie alle vernommen.«
»Alle bis auf eine, aber das soll ein praktisch taubes altes Weib sein«, korrigierte einer der Kollegen aus Stockholm.
»Genau, alle außer der tauben Alten. Am Donnerstagabend, vermutlich irgendwann zwischen acht Uhr abends und, nun ja, kurz nach Mitternacht, ist es zu einem Kampf gekommen, von dem niemand etwas gehört hat. Der Täter hat dem Opfer dabei zwei Verletzungen beigebracht, von denen jede für sich tödlich war. Aus dem, was wir bisher wissen, ja, der Gerichtsquacksalber hat uns bis heute nachmittag so etwas wie einen vollständigen Bericht versprochen, also, nach dem, was wir bisher wissen oder zu wissen glauben, ist der Täter in technischer Hinsicht ein sehr kompetenter Mörder.«
»Ein Werwolf, natürlich«, kicherte einer der Stockholmer Kollegen unter Anspielung auf die phantasievollen Berichte in der Presse der letzten Tage. Beispielsweise: WERWOLFS-MORD NOCH IMMER NICHT AUFGEKLÄRT.
Rune Jansson ließ sich nicht stören. »Ein gefährlicher Bursche also.
Ihr Mann ist es jedenfalls nicht gewesen, soviel wissen wir doch?« Die anderen nickten.
»Dennoch ist vorstellbar, daß der Täter im Bekanntenkreis zu suchen ist, oder daß es zumindest jemand war, den sie gut genug kannte, um ihn hereinzulassen und dann mit ihm Wein zu trinken. Jemand, von dem sie nicht annahm, er würde sie ermorden oder mißhandeln. Also kein eifersüchtiger Hansel. Nun gut. Es kommt zum Kampf. Der Täter ist nicht hinter ihrer Habe her. Außerdem trinkt man mit Ganoven oder Zufallsbekanntschaften keinen Wein. Wissen wir übrigens, was für ein Wein es war?«
»Ein Gevrey-Chambertin, ein ziemlich teurer Burgunder. Sie hatte mehrere Weine zu Hause, etliche billigere, aber kaum einen teureren«, erwiderte der Stockholmer Kollege, der jetzt die Füße auf den Tisch gelegt hatte.
Das war keine unwichtige Beobachtung. Rune Jansson gab sich Mühe zu verbergen, daß er beeindruckt war.
»Also eher so etwas wie ein kleines Fest«, fuhr er fort. »Denn ich meine, wenn man von einem Mann Besuch bekommt, den man kennt und mit dem man sich unterhalten will, greift man ja nicht gleich zur besten Flasche Wein, oder?«
»Doch, wenn es so etwas wie ein Chef oder ein Vorgesetzter ist, dem man imponieren will«, sagte der Stockholmer Kollege mit den Füßen auf dem Tisch.
»Nun ja, vielleicht«, fuhr Rune Jansson fort. Seine psychologisch schwache Position quälte ihn immer mehr. »Aber trotzdem kann man doch verdammt noch mal nicht erwarten, daß man mit ihm kämpfen muß oder daß er einem den Hals durchschneidet. Und da es nicht zu sexuellen Handlungen gekommen zu sein scheint…« Er machte eine kurze, besorgte Pause und sah sich prüfend im Raum um, doch es kamen keine Einwände. »Jedenfalls läßt sich kaum etwas anderes vermuten, als daß der Streit und der nachfolgende Kampf etwas anderem gegolten haben könnte als den Gegenständen, die der Täter mitgenommen hat. Meine Auffassung ist also folgende: Da das Anklopfen bei den Nachbarn nichts ergeben zu haben scheint - na ja, wir machen natürlich weiter -, aber wenn nichts dabei herauskommt, sollten wir uns wohl darauf konzentrieren, uns von ihrem Mann oder einem ihrer Bekannten erklären zu lassen, welche Fotos mitgenommen wurden und weshalb sie so wertvoll sind, daß sie zu einem Kampf mit tödlichem Ausgang führen konnten. Ist das auch die Meinung der Anwesenden?«
Der Stockholmer Kollege mit den Füßen auf dem Tisch reinigte sich mit einem aufgeklappten Taschenmesser die Fingernägel, aber da seine Kollegen ihn anblickten, war offensichtlich er derjenige, der sich äußern sollte.
»Nun ja«, sagte er bedächtig, nahm die Füße vom Tisch und klappte sein Messer zusammen, »natürlich ist es verdammt wichtig, daß wir das mit den Fotos klären. Aber dieser Kampf kommt mir auch so ein bißchen seltsam vor.«
»Inwiefern?« fragte Rune Jansson nervös. Den anderen Kollegen aus Stockholm war anzusehen, daß sie sich darüber schon unterhalten hatten.
»Nun ja: Erstens haben wir es mit einem Täter zu tun, dessen Verhalten gelinde gesagt ungewöhnlich
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