Im Interesse der Nation
armer Student mehr. Leider.«
»Hast inzwischen natürlich eine eigene EDV-Firma?«
»Ja.«
»Du kannst mich also auf deine Spesenrechnung setzen?«
»Nein, aber wir können es ja trotzdem annehmen.«
»Für Repräsentationsausgaben bin ich wohl nicht repräsentativ genug?«
»Nein, das bist du nicht, Herb, und das weißt du auch.«
»Weißt du, Carl, ich habe dich wegen deiner Ehrlichkeit eigentlich immer gemocht, aber das mit Tessie habe ich nie begriffen.«
»Was hast du nicht verstanden?«
»Warum du sie betrogen hast… ach was, komm, erzähl mir nichts. Sag bloß nicht, daß es etwas anderes war. Ich bin zwar ein Säufer, aber kein dummer Säufer, jedenfalls noch lange nicht.«
»Ich habe sie nie betrogen, Herb. Ich habe nicht mal ein anderes Mädchen geküßt. Das ist die Wahrheit.«
»Das ist die Wahrheit?«
»Ja, auf meine Pfadfinderehre.«
»Aber was zum Teufel war es dann?«
»Das geht nur mich und Tessie etwas an. Ich habe sie vor ein paar Tagen besucht und ihr erzählt, was wirklich gewesen ist. Und dann habe ich ihr erzählt, daß ich noch immer in sie verliebt bin. Und dann erschien ihr verdammtes Schwein von Mann und jagte mich aus dem Haus.«
»Teufel auch.«
»Ja, das kann man sagen.«
»Ich habe diesen Typ nie ausstehen können. Na ja, er mich wohl auch nicht, und so ist es eben gegenseitig.«
»Warum hat sie ihn geheiratet?«
»Das geht über meinen Horizont.«
»War sie nicht in ihn verliebt?«
»Kann ich mir nicht vorstellen. Eine Zeitlang glaubte ich, wegen seines Geldes, aber das sieht Tessie nicht ähnlich.«
»Nein, weiß Gott nicht.«
»Du bist ein gottverdammter Idiot. Du hättest sie nie gehen lassen dürfen, Carl.«
»Ja, ich bin ein gottverdammter Idiot.«
Die beiden Männer saßen schweigend im Dunkeln, und die Zeit stand still, als ob alles gesagt worden wäre. Als sie den letzten Tropfen aus der Flasche gequetscht hatten und die Stille noch anhielt, zog Carl ein paar Hundert-Dollar-Scheine aus der Tasche, die er zusammenrollte und in Herbs Glas steckte. Dann stand er vorsichtig auf, um zu gehen, denn er glaubte, Herb sei eingeschlafen. Aber als die Verandatür mit dem Moskitonetz quietschte, drehte sich Herb in seinem Schaukelstuhl heftig um und starrte in der Dunkelheit vermutlich Carls schwarze Gestalt an.
»Carl, hast du nie an die Möglichkeit gedacht, sie zurückzugewinnen?«
»Doch. Seit ein paar Jahren stelle ich mir das jeden Tag vor.«
»Bist du deswegen hier?«
»Ja, aber der Versuch war nicht sehr gelungen. Deshalb reise ich morgen ab.«
»Du gibst zu leicht auf. Das sieht dir gar nicht ähnlich, Carl.«
»Würdest du Briefe an sie weiterleiten, wenn ich sie dir herschicke?«
»Ja, natürlich. Kein Problem. Geh jetzt. Gott segne dich, Carl.«
»Gott segne dich, Herb.«
Carl verließ das Haus lautlos wie eine Katze und ging hellwach die Straße hinunter.
In Norrköping war es 6.05 Uhr morgens, als Kriminalinspektor Rune Jansson durch das Läuten des Telefons geweckt wurde. Er tastete eine Zeitlang unbeholfen nach dem Hörer und stieß den Apparat vom Nachttisch, bevor er nach einigen Mühen antworten konnte. Am anderen Ende war Oberstaatsanwalt Sievert Öhrnström.
»Was zum Teufel treibt ihr da unten eigentlich?« schrie der Staatsanwalt zur Begrüßung.
»Was heißt hier treiben, ich schlafe gerade«, murmelte Rune Jansson, während ihm allmählich aufging, daß er in Wahrheit nicht schlief und einen tobenden Oberstaatsanwalt am Telefon hatte.
»Hast du die Zeitung gelesen?«
»Nein, ich habe doch gerade geschlafen… welche Zeitung?«
»Östgöta-Correspondenten.«
»Nein, die haben wir nicht… wir haben… eine andere Zeitung.«
Rune Jansson hatte sich in letzter Sekunde daran gehindert, sozialdemokratische Sympathien zu äußern, und fühlte sich irgendwie wie ein Judas.
»Die Polizei gibt an, wir verdächtigten wegen des Werwolf-Mordes einen Polizisten!« schrie der Staatsanwalt.
»Was zum Teufel soll das denn heißen?«
»Ja, woher soll ich das wissen? So steht es aber in der Zeitung. Wir verdächtigen also einen Polizisten, und die einzige Quelle, die von der Zeitung namentlich genannt wird, bist du.«
»Aber sowas hab ich doch nie gesagt! Du weißt doch, wie Journalisten sind.«
»Es steht jedenfalls da, und jetzt rufen mich dauernd irgendwelche Ärsche an, wollen etwas über Verhaftungen wissen und fragen mich Löcher in den Bauch. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich mich doch sehr klar ausgedrückt, als ich
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