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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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den Rücksitz setzte; er würde versuchen, Carl das Messer an den Hals zu setzen.
    Aber da saßen die beiden schon im Wagen. Wären es Straßenräuber gewesen, hätten sie die Sicherheitsgurte nicht angelegt, einmal, weil es schwarze Amerikaner waren, die einen uralten Chevy Nova fuhren, zum andern, weil sie bei einem Überfall Bewegungsfreiheit gebraucht hätten.
    Folglich hätte Carl schnell beschleunigen können, bevor etwas geschehen konnte. Wenn er den Wagen herumriß und umstürzen ließ, würde der Sicherheitsgurt ihn retten.
    Wenn man eine Klinge aus Molybdänstahl über den Hals eines Menschen führt, spürt man kaum den Widerstand von Fleisch, Sehnen, Kehle und Halsarterien. Der Schnitt geht wie durch Butter.
    Der Lange saß auf den Beifahrersitz, der Kleine in der scheußlichen Seidenjacke auf den Rücksitz.
    »Verdammt nett von Ihnen, Sir. Wir dachten schon, kein Mensch würde anhalten.«
    Dies war das erste, was der Kleine in der Seidenjacke geäußert hatte. Carl ließ den Wagen an und beschleunigte schnell auf etwa sechzig Meilen pro Stunde.
    Eine Zeitlang herrschte im Wagen unbehagliches Schweigen.
    »Sind Sie Militär, Sir?« fragte schließlich der Lange.
    »Ja, stimmt. Wie kommst du darauf?«
    »Na ja, hier in der Gegend liegen ja verflucht viele Militärbasen.«
    »Hm, stimmt. Übrigens, ich heiße George Clarence, und ihr?« Sie stellten sich als Lafayette Winston III. und Lucas Base vor.
    »Also nicht das dritte Base«, lachte Carl unter Anspielung auf einen Baseball-Begriff und das versnobte III im Nachnamen des anderen Mannes. »Was macht ihr übrigens selbst?«
    Sie studierten an der UCLA. Der in der scheußlichen Seidenjacke studierte amerikanische Literatur und bereitete sich auf seine Examensarbeit vor. Der mit dem schmutzigen T-Shirt stand vor der Promotion in EDV- Software.
    Das klang zu unwahrscheinlich, um eine Lüge zu sein. Carl richtete drei Fragen an Lucas Base, den Doktoranden in EDV-Technik. Die Antworten überzeugten Carl schnell davon, daß Mr. Base ein echter Doktorand war. Carl lachte laut auf. Er spürte, daß er seit langem nicht mehr so herzlich gelacht hatte.
    »Verzeihen Sie die Frage, Sir, aber was kommt Ihnen so lustig vor?«
    wollte der Examenskandidat in amerikanischer Literatur wissen.
    »Well«, erwiderte Carl, nachdem er sich von seinem Lachen erholt hatte, »nur, daß ich euch für Straßenräuber gehalten habe. Wer hätte das denn nicht angenommen?«
    »Weil wir Schwarze sind, oder weswegen?« fragte der Doktorand.
    »Nein, verdammt noch mal. Aber stellt euch mal vor, einer von euch wäre allein hier gefahren, und hätte zwei Burschen in einem heruntergekommenen Chevy Nova aufgelesen, von Rasse oder Religion mal abgesehen? Nebenbei bin ich kein Rassist.«
    Die drei schwiegen eine Weile.
    »Ihre Argumentation hat einen leichten logischen Fehler, Sir, wenn Sie erlauben«, sagte der Examenskandidat.
    »Nämlich welchen?«
    »Na ja, wenn Sie dachten, wir wären Straßenräuber, Verzeihung, wenn ich die Sache nicht so humoristisch sehen kann wie Sie, aber immerhin. Wenn Sie uns also für Straßenräuber hielten, weshalb haben Sie uns dann mitgenommen?«
    »Weil ich euch dann beide in Notwehr getötet hätte«, lachte Carl und löste den Sicherheitsgurt.
    Etwa eine Meile fuhr er schweigend weiter.
    »Wenn du Software studierst, Kleiner, warum nicht an der UC San Diego statt in L. A.?« fragte Carl den Doktoranden.
    Lucas Base erklärte, das Stipendium der Stadt Los Angeles, das er, Sohn einer Familie mit sieben Söhnen, erhalten habe, sei an L. A. gebunden.
    Mit der Spezialisierung auf EDV wäre er in San Diego zwar besser aufgehoben gewesen, aber es sei eben nicht zu ändern.
    Auf dem verbleibenden Weg nach San Bernardino unterhielten sie sich nur noch über allgemeine Dinge. Carl fuhr die beiden in die Innenstadt und setzte sie an der gewünschten Stelle ab. Nachdem er sich zweimal verfahren hatte, war er wieder draußen auf der Straße 215 in Richtung Perris Escondido und San Diego. Er war noch nie in San Bernardino gewesen, obwohl er schon Hunderte von Malen auf dem Highway an der Stadt vorbeigefahren war.
    Zu spät fiel ihm ein, daß er nicht aus alter Gewohnheit in Richtung San Diego hätte fahren müssen, sondern nach L. A. zum Internationalen Flughafen.
    Spielt keine Rolle, dachte er. Es gibt ja Anschlußflüge. Den Leihwagen kann ich auch in San Diego abgeben.
    In Wahrheit jedoch wollte er sich verspäten. Das war so offenkundig, daß er sich nicht einmal

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