Im Interesse der Nation
Nachrichtendienst der Sowjetunion. Das war nicht verwunderlich. Schließlich hatten die Russen ihn einmal ausgebildet, zu der Zeit, als Ägypten noch von Nasser geführt wurde und die Verbindungen zur Sowjetunion ganz anderer Art waren als später unter den Nachfolgern Nassers. Das GRU würde innerhalb von zwanzig Minuten folglich alle wesentlichen Angaben erhalten.
Obwohl er stolz war, so bemerkenswert wichtige Informationen beschafft zu haben, sorgte er sich zugleich ein wenig um die Folgen, da er inzwischen eine ungefähre Vorstellung davon bekommen hatte, was mit diesem Flugzeug geschehen würde. An diesem Tag waren drei Palästinenser aus Damaskus in Kairo eingetroffen, die sich im Moment in einer konspirativen Wohnung des GRU irgendwo in der Stadt verborgen hielten. Sie gehörten zur Organisation Abu Nidals. Die Russen mußten sich an die syrischen Kollegen gewandt haben.
Das war schnelle Arbeit. Es war ein kühner Plan, und es erforderte eine gute Organisation, ein solches Unternehmen so schnell in Gang zu bringen. Das hätten nicht mal die Israelis geschafft, dachte ibn Salaar mit etwas zweideutigem Stolz, als wäre er selbst Russe und nicht Ägypter. Immerhin war er ein Teil der Organisation. Er mußte sich nur um eins Sorgen machen: daß es für ihn Folgen haben konnte, wenn einem seiner neuen Vorgesetzten, einem dieser USA-orientierten Leute, die in den letzten zehn Jahren so abscheulich schnell Karriere gemacht hatten, irgend etwas dämmerte und dieser zwei und zwei zusammenzählen würde.
Ibn Salaar blieb im Gewimmel von Gästen und neugierigen Besuchern des Marriott-Hotels vor einem Souvenirladen stehen und schrieb eine kurze Mitteilung auf ein Blatt Papier, das er aus seinem Notizbuch herausriß. Dann kaufte er eine Zeitung und legte seine Mitteilung diskret in das Blatt, das er zur exakt verabredeten Zeit zwei Straßenblocks weiter in einen Papierkorb fallen ließ.
Die Einhaltung der Zeit war äußerst wichtig. Beim GRU nahm man es sehr genau damit, daß jeder drop zur vereinbarten Uhrzeit erfolgte. Die sonst üblichen ägyptischen Verspätungen wurden hier nicht geduldet.
Blieb nur noch eins zu tun. Es war bislang nicht gelungen, aber noch war Zeit genug. Es ging darum, ein Bild des schwedischen Begleiters zu erhalten. Die Auftraggeber hatten sich in diesem Punkt erstaunlich ins Zeug gelegt, was ibn Salaar ein wenig übertrieben vorkam. Es konnte ja keine so große Rolle spielen, wie dieser Leibwächter aussah. Er würde doch nur sterben, und da konnte das Bild kaum von großem Wert sein. Nun, er würde es versuchen. Doch das Wichtigste war schon erledigt.
Eva Ekström drehte ein Glas Rotwein in der Hand und betrachtete Carl, der auf dem Holzkohlengrill, um den er gebeten hatte, Lammkoteletts briet. Seine Aufmerksamkeit schien sich gleichmäßig auf Lammkoteletts und mögliche Gefahren zu verteilen; von Zeit zu Zeit ließ er seinen wachsamen Blick in die Umgebung schweifen, um dann wieder zum Grill zurückzukehren. Eva Ekström überlegte, was es sein konnte, was sie alle drei zu zunehmend gehorsameren Laufburschen des jungen Militärs gemacht hatte. Er war ja kein Diplomat, nicht mal Militärattaché, und kaum über dreißig, also erheblich jünger als sie selbst. Trotzdem hatten sie sich scheuchen lassen, als wären sie jesuitischem Kadavergehorsam unterworfen. Sogar ihr Chef, der Botschafter, war in diese eigentümliche Situation geraten.
Sie versuchte, sich darüber klar zu werden, worin Carls natürliche Autorität bestand. Er hatte ein sympathisches, nicht sonderlich hartes Gesicht, wenn sie von den ständig wachsamen Augen absah. Dieses Gesicht hätte jedem frischgebackenen Nachwuchsdiplomaten des diplomatischen Korps gehören können. Aber nein, als ein Diplomat würde er doch nicht durchgehen. Wenn er aufstand oder sich bewegte, wirkte er vielmehr wie ein durchtrainierter Sportler, weit entfernt von reiner Repräsentationstätigkeit und einem stillen Leben in einem warmen Klima. Und irgendwo unter seiner ruhigen, beherrschten Oberfläche ahnte man so etwas wie Explosivität, ja, sogar Gefährlichkeit. Nein, wohl doch nicht, das bildete sie sich wohl nur ein, denn sie wußte ja, daß er Soldat und so vielleicht etwas wie ein Spion war. Hatte Schweden überhaupt welche?
Es lag wohl daran, daß er eine so absolute Überzeugung von Bedeutung und Einmaligkeit dieser »Operation« ausstrahlte, daß man sie nicht in Frage stellen konnte, oder es lag daran, daß die beiden anderen Männer
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