Im Interesse der Nation
anderen Geschichten kommen mir eher wie Hirngespinste vor. Na ja, und dann geht es natürlich um die Steigerung des Wehretats und natürlich auch um den alten Russenhaß.«
Carl drehte sein Glas mit dem eingebildeten Whisky on the rocks, der in Wahrheit Mineralwasser on the rocks war, in der Hand. Weniger als zwanzig Meter entfernt saß einer der Kommandeure der sowjetischen Unterwassertätigkeit auf schwedischem Territorium.
»Ich kann mich über diese Dinge auf keine Diskussion mit dir einlassen«, sagte Carl freundlich und ohne die leiseste Ironie in der Stimme.
»Ich glaube nämlich, daß wir erst lange nach der Ankunft unseres Gastes in Schweden zu einem Einverständnis kommen könnten.«
Das Gespräch erstarb von neuem. Die Sonne ging gerade unter, und die Muezzins auf den Minaretts begannen nacheinander mit ihren klagenden Rufen. Allah ist groß. Carl wollte gerade vorschlagen, sie sollten ins Haus gehen, als er hinter sich vorsichtige Schritte auf dem Rasen hörte. Er drehte sich schnell um, ohne die Waffe zu ziehen. Das war ein Fehler, wie er einsah; doch vermutlich saßen die Gefühle des Unbehagens noch seit dem Vormittag fest, als er seine Pistole auf den Bauch eines vollständig unschuldigen Menschen gerichtet hatte.
Es war Botschafter Erland Rickfors, der prustend und verschwitzt mit bekümmerter Miene zurückkehrte.
Der Botschafter ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen und warf einen schnellen Blick auf den Grill und den Tisch mit Mineralwasser, Eisbehälter, Rotweinflasche und Gläsern. Ein verwunderter Blick galt Carls Mineralwasser on the rocks. Dann irrte sein Blick über den Tisch, da er den Inhalt von Carls Glas natürlich für etwas anderes hielt.
»Es gibt eine Verspätung«, seufzte er. »Ich bekomme den Paß mit dem ägyptischen Visum erst morgen.«
»Weshalb?« wollte Carl wissen.
»Bürokratie, das Übliche, nichts, worüber man sich aufregen sollte.«
»Was hat euer Kontaktmann gesagt?«
»Daß ihnen noch immer sehr daran gelegen sei, die Sache möglichst schnell und elegant aus der Welt zu schaffen, daß die Russen vermutlich der Meinung seien, unser Gast halte sich in der amerikanischen Botschaft auf.«
»Hat er irgendwelche Fragen gestellt?«
»Nein, keine besonderen.«
»Und was ist unter ›keine besonderen‹ zu verstehen?«
»Na ja, er wollte wissen, mit welcher Maschine ihr fliegen wollt.«
»Was hast du darauf geantwortet?«
»Daß ich es nicht weiß. Ich habe dir die Schuld gegeben. Strenggenommen weiß ich ja auch nichts.«
»Hat er noch weitere Fragen gestellt?«
»Er wollte wissen, warum ich in der französischen Botschaft gewesen bin.«
»Woher wußte er das?«
»Keine Ahnung. Botschaftsangehörige werden ja rund um die Uhr überwacht, das ist nichts Besonderes.«
»Wußte er etwas davon, was du in der französischen Botschaft wolltest?«
»Nein, nur daß ich in der Konsularabteilung gewesen bin. Sag mal, wir sollten das Verhör jetzt beenden. Ich geh mal schnell rein und hol mir was.«
Der Botschafter begab sich irritiert ins Haus, um sich ein klares Getränk zu holen, das jedoch kein Mineralwasser war. Carl blieb sitzen und runzelte ebenfalls irritiert die Stirn. Als der Botschafter wieder da war, ergriff er schnell das Wort, bevor das Gespräch zerfaserte.
»Eva und Göran sollen sich morgen früh hier einfinden, um für eine Stunde Dienst zu tun, nachdem wir den Paß erhalten haben. Außerdem müssen sie den ganzen Sonntag über auf dem Botschaftsgelände bleiben. Und auch noch die Nacht zum Montag. Von jetzt an müssen dein Wagen und der von Göran eingeschlossen werden. Ich werde sie selbst mit einer Alarmanlage ausstatten. Dann müßt ihr sie volltanken lassen, falls sie es nicht schon sind, und zwar bis spätestens Sonntagnachmittag.«
Botschafter Rickfors hatte die Augenbrauen auf maximale Höhe gehoben. Er sah bestürzt aus, und es schien ihm schwerzufallen, seine frühere Autorität wiederzugewinnen.
»Ihre Art und Weise, hier in der Botschaft herumzukommandieren, oder sollen wir lieber sagen, den Befehl zu übernehmen, finde ich einigermaßen aufsehenerregend, mein junger Herr Korvettenkapitän«, sagte er schließlich mit angestrengter Kühle.
Carl lachte laut auf, anscheinend übertrieben laut.
»Was ist daran so spaßig, wenn ich fragen darf?« brummte der Botschafter, der wieder unsicher geworden war.
»Verzeihung«, sagte Carl und bemühte sich, sich von seiner Heiterkeit zu erholen, »Verzeihung, aber der Ausdruck ›junger
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