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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Herr Korvettenkapitän‹ ist eine eher russische Anrede, und so werde ich dort oben in der Gästewohnung dauernd genannt. Aber sonst ist die Situation alles andere als heiter, das kann ich versichern. Bei allem Respekt vor Diplomaten, aber jetzt liegen die Dinge so, daß wir alle hier in der Botschaft etwas zu tun haben, was im Interesse der ganzen Nation liegt. Ihr müßt einfach tun, was ich sage, aber das ist übrigens nicht als meine Anweisung, sondern als die der Regierung anzusehen.«
    »Überschätzt du deine Bedeutung jetzt nicht ein wenig?« fragte Eva Ekström säuerlich.
    Doch ihre Frage verhallte unbeantwortet. Das kurze Telex des Außenministeriums, das Carls Ankunft angekündigt hatte, ließ sich unleugbar so deuten.
    Carl stand auf und ging.
    Es erschien ihm unbegreiflich, daß die anderen in der Botschaft die Bedeutung der Angelegenheit nicht für einen Augenblick zu erkennen schienen und daß sie nicht einmal die Gefahr erkannten, in der sie selbst schwebten. Wenigstens das sollte ihnen etwas am Herzen liegen. Zudem mußte Carl sie jetzt bitten, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, ohne daß sie es vermutlich selbst begriffen. Er selbst spürte keinerlei Zögern, sie darum zu bitten, und hatte auch nicht vor, ihnen die Gefahren näher zu beschreiben. Sie waren Schweden im auswärtigen Dienst. Es war ihre Pflicht und Schuldigkeit, dabei mitzuhelfen, daß Vizeadmiral Gennadij Alexandrowitsch Koskow nach Schweden kam. Das war alles.
    Und bevor es zu einer Entscheidung kommen sollte, wollte er sie so selten wie möglich sehen.
    Im obersten östlichen Eckzimmer des Generalstabsgebäudes am Lidingövägen brannte eine einsame Lampe. Kapitän zur See Samuel Ulfsson war vom vielen Rauchen schon ganz grau im Gesicht geworden, zündete sich aber trotzdem noch eine Zigarette an, bevor er seine Papiere zu einer etwas repräsentativeren Ordnung auf dem braunen Schreibtisch zusammenschob.
    Über Hamiltons Tun und Lassen war inzwischen nur bekannt, daß er offenbar in Kairo angekommen war, daß er sich in der Botschaft befand, daß der Kontakt hergestellt war und daß er vermutlich alle Hände voll zu tun hatte, den Transport vorzubereiten.
    Das war auch der Bescheid, den der Generalstabschef erhielt, als er das verqualmte Zimmer betrat.
    »Es ist nicht verwunderlich, daß wir im Augenblick nicht mehr wissen«, meinte Samuel Ulfsson trotz des Erstaunens seines Vorgesetzten über die mageren Erkenntnisse. Man habe sich ja zu sogenannter Negativ-Berichterstattung entschlossen; einfacher ausgedrückt: Reden ist Silber, Schweigen Gold. Da das Risiko groß sei, daß Nachrichten abgefangen würden, in welcher Form man sie auch übermittele, und da eine ungewöhnliche Häufung verschlüsselten Funkverkehrs Aufmerksamkeit erregen könne, habe man sich mit Hamilton darauf geeinigt, er solle so lange Funkstille wahren, wie alles gutgehe oder zumindest nach Plan verlaufe. Der Mangel an Meldungen in den letzten zwei Tagen könne also nur so gedeutet werden, daß die Operation ohne nennenswerte Komplikationen fortschreite.
    Dagegen sei ein unangenehmes kleines Problem aufgetaucht, das zwar eine gewisse Verbindung zu Hamilton habe, die eigentliche Operation jedoch nicht berühre. Die Kriminalpolizei in Norrköping ermittle in einem Mordfall, dessen Opfer die Telefonnummer von Hamilton Data System AB besessen habe. Das sei recht unerfreulich, allein schon im Hinblick darauf, daß das Mordopfer eine Frau sei und zudem polnischer Herkunft. Ein höchst unpassender Kontakt.
    Doch die Polizei habe darauf bestanden, daß das gesamte Personal bei Hamilton Data System AB verhört werden müsse, und es sei recht mühselig gewesen, die Bullen daran zu hindern, plötzlich beim Nachrichtendienst hereinzustiefeln. Doch sei das Problem unter Mitwirkung der Sicherheitsabteilung der Reichspolizeiführung, speziell des Sektionschefs Näslund, vorläufig gelöst. Man sei so verfahren, daß man die Verhöre des militärischen Personals von Personal des zivilen Sicherheitsdienstes in Gegenwart des militärischen Sicherheitsdienstes in den Räumen des Generalstabs habe vornehmen lassen. Und das Ergebnis sei dieses Vernehmungsprotokoll.
    Samuel Ulfsson gab sich größte Mühe, ernst zu bleiben, als er dem Generalstabschef ein maschinengeschriebenes DIN-A4-Blatt hinüberschob. Dieser las unter wachsender Verblüffung und platzte schließlich laut los.
    »Werden die armen Bullen das wirklich akzeptieren?« gluckste er, als er das seltsame

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