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Im Jahre Ragnarök

Titel: Im Jahre Ragnarök Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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war.
Der ganze Ort roch nach Tod. In der feuchtkalten Luft hing ein abgestandener, fauliger Gestank, vor dem es kein Entrinnen gab, der mit jedem Atemzug in Tubbers Nase drang und im Hirn schreckliche Bilder aus dem Unterbewusstsein emporquellen ließ.
Plötzlich ließ ein Geräusch in der Ferne Tubber aufhorchen. Ein Fahrzeug näherte sich. Es war so weit. Mit der rechten Hand zog Tubber seine Pistole, die andere legte er beruhigend auf Gretas Arm, als ihre Atemzüge sich beschleunigten und so ihre Nervosität verrieten.
Scheinwerferlicht glitt über das wellige Straßenpflaster. Dann tauchte aus dem verwaschenen Halbdunkel ein Pick-up der US-Armee auf und stoppte mit ächzenden Bremsen keine zehn Meter entfernt von Tubbers und Gretas Versteck. Captain Jakes stieg aus, ohne das Licht auszuschalten, blicke kurz umher und zündete sich eine Zigarette an. Es blieb nicht die einzige, eine zweite und dritte folgten. Die Zeit verstrich, und der Captain wurde sichtlich unruhig. Er ging rastlos vor dem Wagen im Kreis, blieb immer wieder stehen, um nach allen Seiten Ausschau zu halten und in die Nachtstille zu lauschen, und sah in immer kürzeren Abständen auf die Armbanduhr.
Dann endlich tat sich etwas. Unter lautstarkem Klappern rumpelte ein alter Mercedes-Lastwagen heran und kam neben dem Pick-up zum Stehen. Die Türen des Fahrerhauses öffneten sich, zwei Männer in amerikanischen Militärmänteln stiegen heraus und gingen auf Jakes zu.
Tubber musste sich auf die Lippen beißen, um sich nicht durch ein verstörtes Stöhnen zu verraten. Einer der Männer aus dem Mercedes war Otto Pallasch, der tote Otto Pallasch. Ein Irrtum oder eine Illusion waren diesmal absolut ausgeschlossen.
Tubber bemerkte, wie ihm schlagartig Schweiß auf die Stirn trat und sich eine taube Leere in seiner Körpermitte ausbreitete.
»Guten Abend, Captain«, sagte Pallasch, als er Jakes die Hand reichte. »Wir haben uns leider ein wenig verspätet. Ist die Lieferung komplett?«
»Komplett bis zum letzten Paar Stiefel«, bestätigte Jakes. »Selbst die Sonnencreme konnte ich beschaffen. Pattons Briefpapier und seine Blankounterschriften sind natürlich auch dabei. Zigarette?«
Er zog die Camel-Schachtel aus der Jackentasche, doch Pallasch verzichtete und wandte sich, während der Amerikaner sich selbst eine Zigarette anzündete, in österreichisch gefärbtem Deutsch an seinen Begleiter: »Er sagt, es ist alles da. Sie wissen, was zu tun ist.«
Der Captain steckte das Feuerzeug ein. »Da gibt es noch etwas, das Sie wissen sollten«, begann er. »Gestern war jemand bei ...«
Seine Stimme ging im metallischen Bellen der Maschinenpistole unter. Pallasch'
Begleiter hatte die Waffe unter dem Mantel hervorgezogen und jagte Jakes eine Garbe von Kugeln aus nächster Nähe in den Leib. Die Geschosse zerrissen seinen Körper, blutige Fetzen von Fleisch und Gedärmen spritzten nach hinten.
Instinktiv presste Tubber seine Hand auf Gretas Mund, um sie vom Schreien abzuhalten. Doch sie blieb völlig ruhig, nur ihr Atem stockte kurz, und er fühlte, wie sie vor Schrecken zusammenzuckte.
Der tote Captain stürzte mit einem plumpen Klatschen rücklings zu Boden.
»Sie Idiot!«, fuhr Pallasch seinen Begleiter an. »Konnten's ihn net ausreden lassen?
Vielleicht war es wichtig!«
»Ich bitte um Verzeihung, Sturmbannführer. Aber der Befehl des Reichsführers ...«, versuchte der Schütze sich zu entschuldigen.
»Ja, ja, ich weiß. Alle Lieferkontakte umgehend beenden, sämtliche Mitwisser eliminieren. Trotzdem müssen's irgendwann lernen, sich ein wenig zu zügeln, Scharführer. Genug davon. Wir sind spät dran. Sie übernehmen unseren LKW, ich den anderen. Das Umladen erledigen wir im Ausbildungslager Wotan.«
Ohne sich noch um die Leiche des Amerikaners zu kümmern, stiegen die beiden Deutschen in die Lastwagen und fuhren los. Tubber sprang zugleich mit Greta aus der Deckung auf.
»Hinterher?«, fragte sie den unschlüssig den Lastern nachblickenden Tubber.
»Hinterher!«, entschied er.

In sicherem Abstand folgte der unbeleuchtete Chrysler den zwei Lastwagen. Tubber saß hinter dem Lenkrad; er konnte in dieser Situation keine Rücksicht auf Chantal Schmitts Bedenken nehmen. Zwar war er sich noch nicht im Klaren darüber, wer genau die Männer in den Lastern waren, doch ihm war nicht entgangen, dass sie sich mit SS-Rängen angeredet hatten. Und wozu sie imstande waren, hatte er drastisch vor Augen geführt bekommen.
Die unerklärliche Auferstehung von Otto Pallasch war

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