Im Jahre Ragnarök
und wartete darauf, dass ein grünes Lämpchen am Telefon aufleuchtete. Lange musste er sich nicht gedulden. Schon nach wenigen Augenblicken war es so weit. Erwartungsvoll hob Tubber den Hörer von der Gabel. Doch dann blieb ihm nicht einmal Zeit, sich zu melden. Schon nach den ersten Silben schallte ihm die Stimme des wütenden Brigadiers entgegen: »Tubber! Sie Irrer! Haben Sie den Verstand verloren?
»Sir, ich verstehe nicht ...«, erwiderte Tubber verwirrt, wurde aber sofort wieder unterbrochen.
»Ich kehre aus Schottland zurück und finde einen Stapel Beschwerden über Sie vor! Sie haben in Hamburg einen amerikanischen Unteroffizier zusammengeschlagen, waren in den Tod eines schwedischen Staatsbürgers verwickelt, haben einen Angehörigen der CIG tätlich angegriffen, General Patton belästigt und wurden gestern Nacht bei einem Einbruch in seine Residenz erkannt! Haben Sie den Verstand verloren?«
»Sir, das alles ist ein Missverständ...«
»Ein Missverständnis?«, schnitt ihm der Brigadier das Wort ab. »Ich will Ihnen sagen, was das ist: der endgültige Beweis für Ihre absolute Inkompetenz! Damit Sie es wissen, ich habe vorhin mit Dr. Preston gesprochen. Er ist der Ansicht, dass Sie unzurechnungsfähig sind, und ich sehe nicht den geringsten Grund, ihm zu widersprechen!«
»Bitte hören Sie doch ...«
»Halten Sie den Mund, Tubber! Ich entbinde Sie hiermit von Ihrem Auftrag und suspendiere Sie mit sofortiger Wirkung vom Dienst. Sie kehren auf der Stelle nach London zurück und melden sich bei mir. Ende!«
Einem scharfen Klicken am anderen Ende der Leitung folgte nach zwei Sekunden der Stille das flache Piepsen des Freizeichens. Tubber konnte es nicht fassen.
Noch minutenlang hielt er regungslos den Telefonhörer ans Ohr gedrückt und blickte ins Leere. Dann überkam ihn aus dem Nichts Übelkeit, die ihn aus seiner Erstarrung riss.
»Scheiße!«, presste er mit zusammengebissenen Zähnen hervor, als er den Hörer auf die Gabel schmetterte. Auf der Stelle blinkte die grüne Lampe erneut auf und zeigte an, dass die zweite Verbindung bereit war.
Mühevoll würgte Tubber die scharfe Flüssigkeit, die in seinem Hals emporkroch, wieder hinunter, hob ab und meldete sich leise mit belegter Stimme.
»John Horatio Tubber!«, hörte er seine Frau. Ihre Stimme klang leise, traurig und enttäuscht. »Du hattest mir ein Versprechen gegeben!«
»Schatz, ich ...«, begann Tubber zögerlich, kam aber über diese zwei Worte nicht hinaus, da Ingrid ihn nicht weitersprechen ließ:
»Versuche gar nicht erst, dich herauszureden! Dr. Preston hat mich vorhin angerufen und mir angedeutet, dass du dich aufführst wie ein Verrückter. Du hattest mir hoch und heilig versprochen, endlich einmal vernünftig zu sein, und jetzt das!
Warum hast du das getan? Jetzt ist ein für alle Mal Schluss! Wir sind geschiedene Leute! Lass dich bitte, bitte nie wieder bei mir blicken, hörst du?«
Mit einem barschen Knacken brach die Verbindung ab. Den darauf folgenden Signalton vernahm Tubber schon nicht mehr, denn er hatte den Hörer zu Boden fallen lassen.
Als sie sah, wie Tubber mit kreideweißem Gesicht ins Freie wankte, erschrak Greta Donath. Rasch öffnete sie ihm von innen die Beifahrertür, und, kaum dass er auf die Sitzbank gesackt war, fragte sie besorgt: »Mein Gott, John! Was ist Ihnen bloß zugestoßen?«
»Mein Leben ist vor die Hunde gegangen«, stöhnte er kraftlos. »Ich bin so gut wie unehrenhaft entlassen und für wahnsinnig erklärt, und ich habe deswegen meine Frau verloren. Alles auf einmal.«
»Aber wie ist das möglich? Ich dachte, Sie wären einer wichtigen Sache auf der Spur.«
»Bin ich auch. Nützt mir aber nichts.« Ein bitterschaler Geschmack breitete sich in Tubbers Mundhöhle aus. »Niemand hört mir zu, niemand glaubt mir. Ich darf nicht weiterermitteln. Ich bin am Ende, aus, vorbei.«
Greta schüttelte leicht den Kopf. »Geben Sie etwa immer so schnell auf?«
Tubber sah sie verständnislos an und entgegnete nichts. Daraufhin fasste sie ihn am Handgelenk und sprach eindringlich zu ihm: »Wenn Sie etwas Handfestes vorweisen könnten, würde das nicht alles ändern? Machen Sie auf eigene Faust weiter! Auf mich können Sie dabei zählen.«
Überrascht sah Tubber ihr in die Augen. »Sie wollen mir helfen? Aber – aber wieso? Sie kennen mich doch nicht einmal wirklich.«
»Vielleicht habe ich ja einfach eine Schwäche für unglückliche Männer«, meinte Greta scherzhaft. Dann aber wurde sie sofort wieder ernst und setzte
Weitere Kostenlose Bücher