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Im Jahre Ragnarök

Titel: Im Jahre Ragnarök Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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Militärpolizisten gegenüber. Der ranghöhere von ihnen, ein bulliger Sergeant, hatte die Hand erhoben und war offenbar gerade im Begriff gewesen, anzuklopfen. Für eine Sekunde verharrte er vor Überraschung starr in dieser Haltung, bis er Tubber erblickte.
»Lieutenant John Tubber?«, wandte er sich an den Agenten und ließ eilig die Hand sinken. »Wir haben Befehl, Sie zum Liaison Office zu bringen.«

Chantal Schmitt zog die Tür zum Dachboden hinter sich ins Schloss. »Geht es auch wirklich?«, fragte sie besorgt.
»Aber natürlich«, versicherte Dünnbrot, der mühsam einen Bücherstapel schleppte, welcher ihm fast bis zum Kinn reichte. »Deine Sammlung ist einfach erstaunlich. Ich hätte nicht erwartet, dass du eine halbe Bibliothek zusammengetragen hast.«
»Ich bin halt für Überraschungen gut. Und was glaubst du, wie dankbar ich Greta dafür bin, dass ich die ganzen Bücher hier einlagern durfte, obwohl ich damit ihren halben Speicher blockiere.«
»Wirklich ein schöner Zug von ihr«, sagte Dünnbrot, setzte vorsichtig den Fuß auf die erste Stufe der hinabführenden Treppe und tastete sich dann zum nächsten Schritt vor. Bei jeder Bewegung musste er achtgeben, die hoch aufgetürmten Bücher nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Chantal vergewisserte sich noch einmal, dass die Tür auch wirklich verschlossen war, dann folgte sie ihm. »Ich mache mir langsam ernsthaft Sorgen«, meinte sie. »Wo bleibt dieser Engländer nur mit ihr? Sie sind jetzt schon fast einen Tag fort. Wenn ihnen nun etwas zugestoßen ist?«
»Kann ich mir kaum vorstellen. Wahrscheinlich hat der Leutnant tatsächlich ein kleines Häuflein alter Nazis auffliegen lassen, und jetzt müssen die beiden endlose Aussagen zu Protokoll geben. Und dann ...«
Er brach mitten im Satz ab und blieb stehen. Von weiter unten hallten Stimmen das Treppenhaus hinauf. Mit einem kurzen Zischen signalisierte er Chantal, dass sie keinen Laut von sich geben solle. Dann lauschte er angestrengt, um verstehen zu können, was ein Stockwerk tiefer gesprochen wurde.
Er hörte deutlich Tubbers Stimme. Irritiert und aufgebracht fragte der Geheimagent auf Englisch: »Was soll das heißen, wir sind unter Arrest?«
»Wir sollen Sie zum Liaison Office bringen, und dort werden Sie an die CIG übergeben. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen, Sir«, antwortete ein unbekannter Mann mit hartem schottischem Akzent. »Und was machen wir mit der Frau, Sergeant?«, erkundigte sich eine weitere fremde Stimme.
»Die nehmen wir ebenfalls mit, Corporal. Der Befehl lautet, Lieutenant Tubber und seinen Begleiter festzunehmen. Damit ist wohl sie gemeint.«
»Was reden Sie da?«, fiel Greta ihm ins Wort. »Das ist ausgemachter Blödsinn!
Sie können mich nicht festnehmen!«
»Bedauere, aber wir haben unsere Befehle«, beharrte der Sergeant. »Kommen Sie bitte mit.«
Tubber stieß ein arabisch klingendes Wort aus, das dem Klang nach ein wüster Kraftausdruck sein musste. Dann wurde die Wohnungstür geschlossen, und die beiden britischen Soldaten gingen mit Tubber und Greta die Treppe hinunter. Dünnbrot wartete angespannt, bis sie das Gebäude verlassen hatten. Erst dann, als keine Gefahr mehr bestand, drehte er sich zu Chantal herum und meinte wütend: »Wer erlöst mich von diesem Idioten? Dieser unfähige Tubber hat sich schon wieder in Schwierigkeiten gebracht. Und diesmal hat er auch noch Greta mit hineingezogen!
Ich möchte nicht in ihrer Haut stecken. Ob schuldig oder unschuldig interessiert die Burschen von der CIG selten.«
Chantal verschränkte die Arme vor der Brust und sah von ihrer höher gelegenen Treppenstufe auf Dünnbrot hinab. »Was gedenkst du nun zu tun?«
»Was kann ich denn schon tun? Im Alleingang die beiden aus den Klauen der CIG befreien? Wir sollten lieber ganz schnell aus Berlin verschwinden, bevor es uns auch noch erwischt.«
»Da bin ich aber ganz anderer Ansicht, mein lieber Günter«, widersprach Chantal mit Nachdruck und tippte ihm mit dem Zeigefinger auf die Nase. »Meine Freundin ist deinetwegen in diese üble Situation geraten. Genauer gesagt, weil du gestern nicht mit Tubber fahren wolltest. Ja, vielleicht wäre alles ganz anders gekommen und Tubber wäre jetzt überhaupt nicht in dieser Lage, wenn du ihn begleitet hättest.
Du hast etwas gutzumachen.«
»Deine Logik ist völlig verdreht«, protestierte Dünnbrot, aber er verspürte zu seinem Unbehagen tatsächlich Schuldgefühle. »Und wie stellst du dir das überhaupt vor? Du hast doch gehört, sie

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