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Im Jahre Ragnarök

Titel: Im Jahre Ragnarök Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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wieder von außen geschlossen hatte, stellte sie sich Smith militärisch knapp vor und wies ihn dann an, ihr die Verdächtigen zu übergeben. Doch der Agent war von ihrem entschlossenen Auftreten nicht beeindruckt und weigerte sich: »Ich bedauere, aber das werde ich nicht tun, Ma'am. Ich nehme Befehle ausschließlich von Offizieren der Central Intelligence Group entgegen.«
»Das ist mir bekannt. Aber sehen Sie sich einmal diese Waffe an«, entgegnete Chantal, zog ihre Pistole aus der Tasche und zeigte sie dem Amerikaner.
Smith warf einen kurzen Blick auf die Waffe und hob verständnislos die Schultern.
»Ein gewöhnlicher Browning. Was ist damit?«
»Damit«, flüsterte Chantal eindringlich und richtete die Mündung auf Smith'
Kopf, »werde ich Sie erschießen, wenn Sie nur einen Laut von sich geben.«
Augenblicklich erstarrte der CIG-Agent. Sein Gesicht wurde innerhalb von Sekundenbruchteilen erst blass, dann zornesrot, doch er biss die Zähne zusammen und blieb stumm.
Tubber wusste, was er zu tun hatte. Er sprang auf, griff Smith ins Jackett und riss ihm den schweren Colt aus dem Schulterhalfter. Nachdem er den Amerikaner entwaffnet hatte, zog er ihm die Krawatte vom Hals und fesselte damit seine Handgelenke an das doppelte Heizungsrohr, das von der Zimmerdecke zum Fußboden verlief. »Knebeln Sie ihn mit irgendwas«, forderte er dabei Greta mit gedämpfter Stimme auf.
Sie sah sich rasch nach etwas Geeignetem um und riss dann kurz entschlossen eine Gardine herab, die sie dem Agenten um den Kopf schlang, sodass ein Wulst von staubigem Stoff seinen Kiefer weit aufdrückte und die Mundhöhle ausfüllte.
»Wie hast du uns hier bloß gefunden?«, fragte sie verdutzt ihre Freundin, als sie den Knoten hinter Smith' Kopf festzurrte.
Chantal setzte zu einer Antwort an, doch Tubber, der gerade den Umschlag mit seinen Papieren an sich nahm, kam ihr zuvor: »Erklärungen haben Zeit bis später.
Jetzt müssen wir erst einmal sehen, dass wir hier wegkommen.«
»Die Uniform hat mich problemlos hier reingebracht, also bringt sie uns auch wieder raus«, versicherte Chantal und steckte den Browning wieder ein. »Folgt mir, benehmt euch ganz normal.«
Sie öffnete die Tür und wandte sich im Hinausgehen um, wobei sie vorgab, mit Smith zu sprechen: »Natürlich, Captain. Uns allen unterlaufen manchmal Irrtümer.« Während Tubber und Greta den Raum verließen und die Tür sogleich hinter sich schlossen, ließ sie den britischen Militärpolizisten wissen, dass Agent Smith vertrauliche Schriftstücke las und unter keinen Umständen gestört werden wollte.
»Jawohl, Madam!«, bestätigte der Posten den Befehl.
Chantal nickte kurz; dann ging sie mit Tubber und Greta im Gefolge ohne Hast in Richtung Treppenhaus.
Zu gerne hätte Tubber aufgeatmet, aber er konnte nicht. Erst musste er den kleinen Vorsprung nutzen, den ihm dieses unfassbare Manöver verschafft hatte. Und das hieß, er musste sofort zu den Sherman Barracks fahren und dort versuchen, Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen, solange Smith noch aus dem Verkehr gezogen war. Und wenn ihm das gelungen war, dann würde er aufatmen. Rasend vor Wut zerrte Smith an seinen Fesseln. Immer wieder riss er mit aller Kraft an ihnen und grub die Zähne so fest in den Knebel, dass ihm stechender Schmerz durch den Kiefer fuhr. Und tatsächlich kam es ihm so vor, als würde sich der Knoten an den Handgelenken etwas lockern. In seinen Hass auf Tubber mischte sich Verachtung für den englischen Agenten, der nicht einmal in der Lage war, einen richtigen Knoten zu binden. Noch einmal legte Smith alle Kraft und seinen ganzen Zorn in einen heftigen Ruck, der ihn endgültig befreien sollte.
Mit einem Mal gaben die maroden Heizungsrohre nach. Die Halterungen brachen aus der Wand, die morschen Leitungen zerbarsten schlagartig mit einem stumpfen Krachen.
Smith stürzte vornüber zu Boden. Aus den verbogenen Stümpfen der Rohre prasselte rostbraunes, nach verrottetem Metall und Fäulnis stinkendes Wasser auf ihn, während er versuchte, sich der Fesseln zu entledigen.
Die Tür wurde aufgestoßen. Der Wachposten, alarmiert durch den plötzlichen Lärm, blickte für einen Moment ratlos auf den vor ihm liegenden Amerikaner hinab, ehe er sich daranmachte, den Knebel zu lösen.
»Halten Sie sie auf!«, brüllte Smith sofort. »Knallen Sie dieses Pack ab! Worauf warten Sie!«
Es fiel dem Corporal schwer, die Situation zu erfassen. »Sir, ich verstehe nicht ...«
»Wundert mich nicht, Sie Schwachsinniger«,

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