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Im Jahre Ragnarök

Titel: Im Jahre Ragnarök Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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werden im Liaison Office an die CIG übergeben.
Wie willst du sie da noch rausholen?«
»Überlass das mir, ich habe da schon eine Idee. Komm schnell, wir müssen den Zweitschlüssel zum Auto und etwas von meinen Sachen aus der Wohnung holen!
Beeilung!« Als sie die letzten Worte aussprach, lief sie bereits an Dünnbrot vorbei treppab und forderte ihn mit einer ungeduldigen Handbewegung auf, ihr zu folgen.
Der Kommissar war für eine Sekunde unschlüssig, was er tun sollte; er wollte die Bücher nicht zurücklassen. Nur widerstrebend stellte er den Stapel auf den Boden und folgte Chantal. Er war bereits einige Stufen hinabgestiegen, als er sich noch einmal schnell umdrehte und das zuoberst liegende Buch an sich nahm. Sein Blick streifte den Einband. Die bunte Umschlagillustration verhieß kein sonderlich hohes literarisches Niveau, und der englische Titel Lest Darkness Fall sagte ihm absolut nichts.
»Nun komm endlich!«, rief Chantal ihm drängend durch das Treppenhaus hinauf zu. »Es geht vielleicht um Sekunden!«
Schon wollte Dünnbrot das obskure Buch auf den Stapel zurücklegen. Doch dann behielt er es in der Hand und rannte die Treppe hinab.

»Du weißt nicht, worauf du dich da einlässt«, stöhnte Dünnbrot und lenkte den Chrysler die Friedrichstraße hinab. »Dein Plan ist ... einfach nur Wahnsinn .«
»Und ist's auch Wahnsinn, so hat es doch Methode«, meinte Chantal. Ein letztes Mal korrigierte sie mit einem Blick in den Schminkspiegel, der in die Sonnenblende über dem Beifahrerplatz eingelassen war, die Position des schiffchenförmigen Forage Caps auf den straff zurückgekämmten Haaren. Sie achtete immer auf absolut akkuraten Sitz, wenn sie diese Offiziersuniform anzog, um in ihre Domina-Rolle zu schlüpfen. Und was sie jetzt vorhatte, unterschied sich davon nicht wesentlich, wie sie sich vorsorglich nochmals klarmachte.
»Aber wenn du einen besseren Vorschlag hast«, setzte sie hinzu, »dann nur zu.
Ich bin ganz Ohr. Nur beeil dich, denn da vorne ist schon das Liaison Office.«
Dünnbrot kam nicht dazu, etwas zu entgegnen. Jählings trat er auf die Bremse und brachte den Wagen schroff zum Stehen.
»Verdammter Mist!«, entfuhr es ihm. »Siehst du das da?«
Er deutete auf einen grauen Ford Customline, der vor dem Portal des Liaison Office parkte. Gerade war ein Mann in schwarzem Anzug ausgestiegen und passierte nun den salutierenden Posten vor dem Eingang.
Chantal kannte die grauen Autos und die schon klischeehaft typischen Anzüge nur zu genau. »Die CIG ist schon da!«, sagte sie bestürzt.
»Schlimmer«, meinte Dünnbrot tonlos. »Smith ist da. Er war das eben, ich habe ihn erkannt.«
»Smith? Wer ist das?«
»Ein CIG-Mann. Ich – wir hatten in Kassel Ärger mit ihm. Ich kenne ihn, der Mann ist gemeingefährlich!«, warnte er düster.
Doch Chantal ließ sich durch Dünnbrots inständige Worte nicht von ihrem Vorhaben abbringen. »Ich bin ein großes Mädchen und kann ganz gut auf mich aufpassen«, versicherte sie ihm mit einem angedeuteten Lachen, öffnete die Tür und verließ den Wagen. »Es geht los. Mach einfach, was wir abgesprochen haben.«
»Wenn ich bloß noch an Gott glauben würde. Dann könnte ich jetzt wenigstens für dich beten«, schickte Dünnbrot ihr todernst hinterher.
»Tu's trotzdem. Wer weiß, wozu es gut ist«, sagte Chantal. Mit zwei raschen Handbewegungen strich sie sich den Rock glatt und schritt auf das sandsteinbraune, massiv aufragende Gebäude zu.
Sie passierte die stumpfgraue CIG-Limousine, ohne dass der Fahrer von seinem Captain-America -Comicheft aufsah. Ihr Rachen war vor Nervosität so rau, dass sie kaum den in ihrer Mundhöhle zusammenrinnenden bitteren Speichel hinunterschlucken konnte; doch nach außen zeigte sie eine Maske absoluter Selbstsicherheit. Als sie die Stufen zum Portal hinaufstieg, salutierte der Wachposten neben der Tür. Es klappt! , dachte Chantal erleichtert, aber äußerlich unbewegt, während sie an ihm vorbeiging und das Gebäude betrat.
In der Eingangshalle hielt sie direkt auf den Tisch des wachhabenden Corporals zu und behauptete mit demonstrativ zur Schau getragener Arroganz und großspurigem texanischem Akzent: »Colonel Hudson, Army Intelligence. Captain Smith von der CIG erwartet mich. Sagen Sie mir, wo ich ihn finde.«
»Er ist bei den beiden Arrestanten, Madam«, teilte der Corporal ihr dienstbeflissen mit. »Vierter Stock, linker Korridor, Raum 11. Vor der Tür befindet sich ein Posten. Wenn Sie wünschen, lasse ich jemanden kommen,

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