Im Jahre Ragnarök
der Sie hinaufbegleitet.«
»Halten Sie mich etwa für zu beschränkt, um alleine die Treppe raufzugehen?«, herrschte sie ihn an.
Der Soldat zuckte eingeschüchtert zusammen. »Nein, Madam, natürlich nicht.
Verzeihung, Madam.«
Ohne ein weiteres Wort wandte Chantal sich ab. Sie konnte es kaum fassen, aber ihr aberwitziger Plan ging eindeutig auf. Und sie begann Geschmack an dieser Rolle zu finden. Nicht zu eilig, um ja kein Aufsehen zu erregen, ging sie die Treppe hinauf.
»Eine Naziverschwörung wollen Sie aufgedeckt haben? Diese gequirlte Scheiße können Sie Ihrer Großmutter auftischen!« Smith warf den großen Umschlag, in dem sich der Inhalt von Tubbers Taschen befand, ungeöffnet auf die nackte Tischplatte.
Sie befanden sich in einem kahlen Raum, der früher einmal einem zweitrangigen Beamten des Gauarbeitsamtes als Büro gedient haben mochte, und in dem sich nichts weiter befand als der Tisch, hinter dem Greta und Tubber auf wackeligen Stühlen saßen, und ein kalter Heizkörper. Am Fenster hingen ehemals weiße, nun aber grau verfärbte lappige Gardinen, die in ihrer heruntergekommenen Wohnküchenhaftigkeit nicht in die ehemalige Amtsstube passen wollten.
»Verdammt, es ist wahr!«, beharrte Tubber. »Es bleibt kaum noch Zeit. Morgen werden in Pirna ...«
Smith ließ ihn nicht ausreden. »Schnauze! Ich will von Ihnen hören, was hinter dieser Nummer in Kassel steckte, was Sie mit Svensson und Pallasch zu schaffen hatten. Ganz zu schweigen vom Einbruch in Pattons Residenz letzte Nacht.
Und das werden Sie mir schon bald alles verraten.« Er rieb sich den hässlich rot und lila schillernden Bluterguss, der sich unter seinem rechten Auge ausbreitete, wo ihn Dünnbrots Faust getroffen hatte. »Und diesen verdammten deutschen Ordnungsdienstmann, diesen Schweinehund « – das deutsche Wort nahm sich wie ein kantiger Fremdkörper inmitten des englischen Lautflusses aus –, »kriege ich auch noch zu fassen. Gnade ihm Gott!« »Was machen Sie überhaupt in Berlin?«, fragte Tubber irritiert. »Sie konnten gar nicht wissen, dass ich hier bin.«
Smith stieß ein kurzes, schnaubendes Lachen aus. »Denken Sie im Ernst, dass ausgerechnet die Telefone der britischen Garnison in Kassel nicht von uns überwacht werden? Sie armseliger Anfänger! Jetzt genug geredet, Sie kommen beide mit zum Verhör.«
»Wir sitzen tief im Dreck«, sagte Greta leise und legte hilflos den Kopf in die Hände.
Smith lachte abermals auf. »Dass Sie mit drinsitzen, dafür dürfen Sie sich bei der unfähigen britischen Militärpolizei bedanken, weil die Sie statt dieses Ordnungsdienstmanns hier angeschleppt haben. Pech für Sie.«
»Lassen Sie Miss Donath gehen«, verlangte Tubber. »Sie hat mit meinem Auftrag nicht das Geringste zu tun und kann daher auch nichts aussagen!«
Smith' Mundwinkel zogen sich sarkastisch einige Millimeter nach oben. »Wie rührend fürsorglich von Ihnen. Aber wenn ich das Fräulein entlassen soll, dann muss es mich schon selber davon überzeugen. Und ich wüsste auch schon wie ...«
Sein Lächeln wurde breit und schmierig.
»I'd rather give a blow job to a warthog«, zischte Greta ihm voller Ekel ins Gesicht.
Als sie das sagte, durchschossen zwiespältige Empfindungen Tubbers Inneres.
Das Wissen, dass Greta Donath durch sein Verschulden nun einem CIG-Verhör ausgesetzt sein würde, war die reinste Tortur. Doch andererseits war er unerklärlicherweise erleichtert und fast glücklich darüber, dass sie Smith' eindeutiges Angebot zurückgewiesen hatte, sich durch sexuelle Gefälligkeiten freizukaufen. Er verstand seine Reaktion, die ihm geradezu pervers widersprüchlich erschien, selber nicht.
Aber er dachte auch nicht weiter darüber nach. Ihn plagten erheblich gravierendere Sorgen.
»Wie Sie wollen«, quittierte Smith die obszöne Abfuhr ungerührt, obwohl sich das Lächeln sehr schnell von seinen Lippen verflüchtigt hatte. »Also werden Sie jetzt zum ...«
Mitten im Satz wurde Smith unterbrochen, weil sich die Tür öffnete. Ein weiblicher Oberst der US-Armee betrat forsch den Raum. Greta zuckte bei ihrem Anblick sofort zusammen und verschluckte sich, so als hätte sie einen überraschten Ausruf nur um Haaresbreite unterdrückt. Erst mit einer Sekunde Verzögerung begriff Tubber ihre Reaktion, als er verblüfft feststellte, dass es Chantal Schmitt war, die in Uniform, mit streng im Nacken zusammengesteckten Haaren und akkurat platziertem Garrison Cap auf dem Kopf, hereingekommen war.
Nachdem der Wachposten die Tür
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